Tod durch Ertrinken. Kurzgeschichten/Erzählungen.
T. C. Boyle, DTV 1997




Das erste Werk von T.C. Boyle kommt mit unglaublich faszinierenden Geschichten daher. Das Absurde wird hier so brillant in die Alltäglichkeit integriert, daß es einen oft schmunzeln läßt. Der Band enthält Kurzgeschichten und kürzere Erzählungen. Bei einigen Geschichten ist man oft stark an Kafka erinnert. Nicht umsonst findet man zu Beginn des Buches ein Zitat aus "Ein Bericht an die Akademie". So erinnert die erste Story des Buches auch stark an diesen Kafkatext. Ein Mann lebt mit einer Frau zusammen, "die plötzlich zu stinken anfing". Im Verlauf wird immer klarer, daß die Frau es mit ihrem Forschungsprojekt und dem damit verbunden Versuchsobjekt, einem Affen namens "Konrad", "leicht" übertreibt. Bei diesem Affen handelt es sich um ein hochbegabtes Individuum, daß nicht nur die AZS (Amerikanische Zeichensprache) spricht, sondern diverse Philosophen ins Yerkische übersetzt, und nebenbei noch an seiner dritten Oper arbeitet. Kafka läßt grüßen.
Und dennoch spricht Boyle eine ganz eigene Sprache. Und diese Sprache hebt sich überaus positiv vom sonstigen amerikanischen Mainstream ab.

In einer anderen Geschichten hat man zunächst den Eindruck, als handle es sich um eine Boxergeschichte nach guter alter Hemingway- und Bukowskimanier. Doch es kommt anders und zwar überaus amüsant gemacht.
Bei einer Hippiekommune, die irgendwo in der Abgeschiedenheit lebt, beginnt es plötzlich Blut zu regnen. Zunächst sind die zugedröhnten Freaks überaus fasziniert von dem Phänomen, doch dann wird es plötzlich sehr bedrohlich.
Das "Frauenrestaurant" ist eine ironische Auseinandersetzung mit der Emanzipation. Doch natürlich völlig anders, als man das erwarten würde.
Die "Grüne Hölle" ist eine recht makabere, aber sehr witzige Story über einen Flugzeugabsturz. Mitten im tiefsten Dschungel sind die Überlebenden nicht nur der Natur hilflos ausgesetzt. Kannibalen und Co. lassen grüßen.
Auch die chinesische (als Platzhalter für alle anderen) Ideologien werden in "Er schwimmt wieder" meisterlich auf die Schippe genommen.
Sie wußten nicht, daß die alten Azteken bereits über Bierdosen verfügten? Nun, in "Quetzalcoatl Lite" werden sie erfahren, was es damit auf sich hat.
Ach ja, die gute alte Lassie-Serie. Was sie bislang nicht über Lassie, Thimmy, Dad und Mom wußten, hier erfahren sie, wie es wirklich war in "Ein Herz und eine Seele".
Was sie ebenfalls erfahren werden ist, was Ugandas Präsident auf Lebenszeit - Seine
Exzellenz Al Haji - mit Dada zu tun hat.
Wenn der Mensch Gott spielt, ihm sozusagen ins Handwerk fuscht, kann es schon mal vorkommen, daß ein Sohn, mit Schweinehufen auf die Welt kommt. In "De Rerum Natura" zeigt sich, daß Wissenschaft, wenn sie in Besessenheit großer Genies ausartet, nicht ganz so nette Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Treib man es mit dem Alkohol zu wild, können sich schwere gesundheitliche und soziale Probleme einstellen. Aber auch die Bekämpfung des Alkoholkonsums, wenn sie barbarische Ausmaße annimmt, kann verheerende Folgen haben, wie "John Barleycorn lebt" sehr süffisant demonstriert.
Die Titelstory "Tod durch Ertrinken" ist ziemlich strange. Warum eine Frau von mehreren Männern vergewaltigt wird, und was das mit dem Ertrinken zu tun hat, werden sie hier erfahren.
Daß eine Autoreparaturwerkstatt sich als heimtückische, kafkaeske Falle erweisen kann lesen sie in "Die große Werkstatt".

Aber genug davon. Ich hoffe, daß ich ein bißchen Appetit auf dieses Buch machen konnte.

Fazit:
Tolles Erstlingswerk eines sehr talentierten Schriftstellers. Ich kann es nur wärmstens empfehlen. Die 249 Seiten sind im Nu "gefressen". Ein gutes Stück Literatur.

Broschiert - 248 Seiten - Dtv
Erscheinungsdatum: Juli 1997
ISBN: 342312329X
EUR 9,00

Das Buch bei Amazon

Weitere Rezensionen von Ulrich P. Hinz

zurück

© by Ulrich P. Hinz - WebSite - Kontakt
Alle Rechte vorbehalten - All rights reserved