Zwölf. Roman.
Nick McDonell, Kiepenheuer & Witsch 2003


Ich bin geneigt, mit den Worten zu beginnen: Für einen Siebzehnjährigen nicht schlecht. Dann fällt mir ein, wie - in etwa - ich selbst mit siebzehn drauf war. Außerdem spielt es keine Rolle, wie alt der Autor eines Buches ist: Das Ergebnis zählt. Jedenfalls habe ich keinen Filter im Kopf, der mich Literatur anders wahrnehmen läßt, nur, weil sie von einem besonders jungen Menschen hergestellt wurde. Das Buch ist tatsächlich nicht schlecht. Es ist allerdings auch nicht besonders gut. Und insbesondere ist es mir nicht neu.

Der gute Bret Easton Ellis hat ganz ähnliches geschrieben. Nein, nicht "American Psycho". Sondern "Less Than Zero" ("Unter Null"). Und noch eines: "The Rules Of Attraction" ("Einfach unwiderstehlich"). Romane - in knapper, prägnanter, emotionsarmer Sprache verfaßt, in denen es um College- und Highschool-Kids geht, denen es weit mehr bedeutet, daß die Prada-Tasche noch hip ist, als etwa, daß die Freundin gerade vergewaltigt wurde.
So in etwa stellen sich die Sozialstrukturen in "Zwölf" ebenfalls dar. Es geht um eine Handvoll Jugendlicher in New York während der vier Tage vor Sylvester - wahrscheinlich 2002, denn da fiel der 27.12. auf einen Freitag; das Buch beginnt an diesem Tag. Einige gehen noch zur Highschool, andere modeln, alle leben dick auf Kosten der reichen Eltern, wohnen in den guten Gegenden von New York City. Auch Michael, der sich White Mike nennt, was gleich auf der ersten Seite so oft erwähnt wird, daß man es während der folgenden 230 garantiert nicht mehr vergißt, kommt aus gutem Haus. Er pausiert nach dem College - und vertickt Drogen. An eben jene Kids, die mit Akne kämpfen, auf Partys knutschen, sich gegenseitig zu beeindrucken versuchen, ohne einander irgendwie näher zu kommen. Eine Fete jagt die andere, aber alles jagt auf *die* Fete zu, das große Fest zu Sylvester, das die brillant aussehende Sara Ludlow dem pickeligen Chris aus den Rippen geleiert hat, weil sein monströses Elternhaus zur Verfügung steht. Bis dahin wird Jessica drogenabhängig, landet Hunter im Kittchen, darf Chris Sara küssen, verdaddelt Mike für zwei Riesen Gras, vor allem aber die Designerdroge "Zwölf". Ein wenig vordergründige Metaphorik ist angesagt, auch ein bißchen Tiefgang; bei seiner Hauptfigur hat sich Mick McDonell wirklich Mühe gegeben. Allerdings nicht am Ende, das recht schnell kommt. Und irgendwie ist das ganze zwar flockig, rasant und vergleichsweise zwingend erzählt. Aber genauso wenig, wie die Figuren untereinander echte Nähe entwickeln, entstehen sie vor dem geistigen Auge des Lesers: Alles bleibt lapidar, kolportagehaft, wie ein nachlässig geplotteter und rasch produzierter Actionfilm. Was ist zu lernen und zu bestaunen gäbe, das haben andere schon besser geliefert, natürlich Bret Easton Ellis, aber - zum Beispiel - auch Irvine Welsh mit "Trainspotting".
Und was bleibt?
Für einen Siebzehnjährigen nicht schlecht. Sieht man mal von solchen Sätzen ab:
"Doch irgendjemand mußte den Kopf hinhalten, es mußte etwas passieren, denn es war eine renommierte alte Schule, also wurde einer der Lehrer gefeuert und er zog nach Colorado und unterrichtete an einer staatlichen Schule und die Kinder dort mußten in seinem Englischunterricht viel mehr Hausaufgaben machen als üblich."
(Seite 167)

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