Der Wurm Ouroboros.
Roman.
Eric Rücker Eddison , Lübbe 1997



Tolkien selbst (!) hat dieses Werk eines ehemaligen Buchhalters, 1922, Jahre also vor dem "kleinen Hobbit" erschienen, ein Meisterwerk der "von der Phantasie geschaffenen Welten" genannt. Der "Wurm" gilt - neben Tolkiens und den Werken von C.S. Lewis - als einer der Klassiker der sogenannten "Fantasy", wenn auch dieser Begriff damals nicht benutzt wurde. Das Buch galt lange als nicht übersetzbar und ist in Deutschland erst spät zu Ehre gelangt.

Im Lande Merkurien, aufgeteilt in die Königreiche Hexen-, Dämonen-, Gnomen-, Kobold- und Wichtland, herrscht Krieg, vornehmlich zwischen den Führernationen der Hexen und Dämonen. Diese Begriffe allerdings haben wenig mit dem zu tun, was man gemeinhin darunter versteht; alle sind gestandene, großgewachsene Männer, Heroen im tiefsten Sinne des Wortes, und selbst die Gnomen oder Kobolde sind nicht von kleinem Wuchs, sondern breitschultrige, tapfere Krieger, denen große, wunderschöne Frauen zur Seite stehen, von elder Natur oder, in einigen Fällen, abgrundtiefer Schlechtheit. Der Magie ist man nur am Rande fähig, einizig der
Hexenkönig frönt in der Turmkammer seines Schlosses seltsamen Ritualen, um mit unlauteren Mitteln gegen die Dämonen vorzugehen.

Denn König Gorice XII von Hexenland plant abermals die - bisher erfolglose - Unterwerfung der überaus edlen Dämonen, deren Führer Fürst Juss und Kumpanen edle Gesellen ohne Lug, aber voller Kameradschaft und Liebe füreinander sind. Das "wäßrichte" Hexenland steht seit jeher im Ruf, tyrannisch und knechtend zu sein, die Herrschaft über alle anzustreben, während die Dämonen lieber auf der Jagd sind, in ihren prunkvollen Schlössern oder Landsitzen des "gebirgichten" Landes weilen, und mehr Ehre einfahren, als sich manch ein Fantasy-Normalo erträumen mag. Der unsterbliche Gorice, der als Symbol seiner ewigen Wiederkehr einen Ring in Form des Wurms Ouroboros trägt (der Wurm, der sich in den Schwanz beißt), entsendet ein Wesen aus der Zwischenwelt, um die Dämonen zu schlagen, aber es gelingt lediglich, Goldry, den Bruder Juss', auf einen gemein hohen Berg zu verbannen, und natürlich machen sich Juss und Kumpanen sofort auf die anstrengende Suche.
Währenddessen erreicht der Krieg einen Höhepunkt nach dem anderen, gezeichnet von den Intrigen, die zwischen den verschiedenen Hexen, angestachelt von ihren ehrsüchtigen Weibern entstehen, und mal ist der versoffene Corsus Feldherr, und dann wieder der ehrgeizige, promiske Corsinius. Wie auch immer, schlußendlich kommt's, wie's kommen muß, und bis dahin ..

.. na ja. Wem die Gesänge im "Herrn der Ringe" nicht gefallen haben, der wird den "Wurm" umso mehr schmähen. In der mir vorliegenden Übersetzung waren neben kruden Reimen und Versen auch noch Brief- und Berichtstexte in sehr mittelalterlicher Sprache verfaßt ("Freuynd"), und Eddison gefallen seitenlange Beschreibungen von Schloßinnenausstattungen, Landschaften und Ritterrüstungen. Zwischen diesen Beschreibungen und den ausufernden Kampfszenen bewegen sich wenig greifbare
Protagonisten, von denen einzig Fürst Gro, der Koboldländler, der nach seiner Verbannung im Dienste Gorices stand, um schließlich zu den Dämonen überzulaufen, etwas mehr Kontur gewinnt, weil er eben nicht dem heroischen Gardemaß entspricht, das die anderen Figuren kaum unterscheidbar macht. Eddison betreibt zudem eine Inflation der Namen und Figuren, und er überzieht dies an einigen Stellen, wobei lustige Wortfindungen entstanden sind, die eher nach polnischem Mittagessen klingen, als nach Gebirgen und Landschaften. Allerdings ist der "Wurm" solide und stimmig erzählt, mit viel Liebe zum Detail und einem gemächlichen, aber konsistenten Spannungsbogen. Daß einiges an "moderner" Fantasy dieses Werk längst in den Schatten stellt - Tad Williams etwa ist deutlich unterhaltsamer -, tut dem "Wurm" keinen Abbruch, denn ganz nebenbei lernt man anhand der vielen Querverweise und Fußnoten einiges über die Grundlagen des Genres, so zum Beispiel, daß der Begriff "Mittelerde" keineswegs von Tolkien stammt, sondern die Übersetzung eines altenglischen Begriffes darstellt, der seit jeher für den "bewohnten Teil der Welt" benutzt wird.

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