Das Leben der Wünsche. Roman.
Thomas Glavinic, Hanser 2009


Was fühlen wir - und wovon glauben wir nur, dass wir es fühlen?

Jonas ist fünfunddreißig und hat sich in seinem Leben eingerichtet, wie man so sagt: Sein Job in der originell geführten Werbeagentur beansprucht ihn kaum, seine Frau ist ansehnlich, die Kinder sind gelungen, die Geliebte macht Spaß. Im Park begegnet ihm ein seltsamer Mann, der ihm anbietet, drei Wünsche zu erfüllen. Nach einigem Hin und Her lässt sich Jonas auf das Spielchen ein, erbittet aber nur einen Wunsch, nämlich den, dass sich fortan all seine Wünsche erfüllen.

Zunächst geschieht nicht viel, dann aber häufen sich die Ereignisse, darunter einige sehr seltsame. Jonas' Frau stirbt plötzlich, die Stadt wird nachts überflutet, es gibt kleine Veränderungen, die gegen jede Wahrscheinlichkeit sprechen, und größere, wie einen absurden Unfall im Wald.

In sehr präziser, direkter, aber enorm lebendiger Sprache erzählt Glavinic von diesem Leben, dessen Innerstes nach außen gekehrt wird, weil das Geschehen allem unterdrückten Begehren die Fassade wegreißt. Es gelingt Jonas nie, sich auf die Art etwas zu wünschen, wie etwa Kinder das tun, wenn sie ihre Listen für den Weihnachtsmann schreiben, aber auf heimtückische Art tritt all jenes ein, das sein zivilisiertes Ich sich nie als Wunsch auszusprechen trauen würde. Am Ende steht das Chaos. Denn diese Art von Wünschen lässt sich nicht schadlos ausleben.

"Das Leben der Wünsche" ist eine bemerkenswerte und sehr rasante Erzählung, die nachdenklich stimmt und darüber hinaus auf ihre Weise unglaublich spannend ist. Und eine Idee hat mich mit Neid erfüllt: Der Protagonist Jonas fertigt seit Jahrzehnten ein Foto von sich an, immer am gleichen Tag des Jahres und vor demselben Hintergrund. Wenn er möchte, kann er auf diese Weise sein eigenes Leben als Daumenkino anschauen. Eine gleichzeitig faszinierende und sehr gruselige Vorstellung. In einem ansonsten absolut großartigen Buch.

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