Warten. Roman.
Ha Jin, dtv premium 2000
("National Book Award 1999", "PEN/Faulkner Award 2000", nominiert für den Pulitzer 2000)
China, zur Zeit nach der Kulturrevolution. Lin Kong stammt aus der Provinz und lebt als Arzt im Armeekrankenhaus am Rande der Stadt Muji. Das Leben ist geprägt von Regeln, Vorschriften und Rangordnungen, und Lin Kong hat diese Art Leben verinnerlicht. Er ist intelligent, aber unkreativ, er denkt viel nach - sehr viel -, hat aber eigentlich nicht die Kraft, eigene Entscheidungen zu treffen.
Auf dem Land, im heimischen "Gänsedorf", lebt Shuyu, seine ungeliebte Frau, die er auf Drängen seiner Eltern geheiratet hat und nur während seines Jahresurlaubes sieht. Lin Kong lernt die Krankenschwester Manna Wu kennen, die sich langsam in ihn verliebt, während er sich an die freundliche, bestimmte Frau gewöhnt, und mit ihr eine distanzierte Freundschaft aufbaut, die er irgendwann für Liebe hält. Fortan bemüht sich Lin Kong, ganz ein Mann des Prinzips und der Unumstößlichkeit einmal getroffener Entscheidungen (*kein* Widerspruch!), um die Scheidung von seiner Frau - keine leichte Sache im China kurz nach Mao. Achtzehn Jahre dauert das "Warten" auf die Trennung, während sich die Protagonisten ändern, und, natürlich, das ganze China drumherum.
"Warten" ist ein leiser, vordergründig ziemlich einfacher Roman, der die Gedanken- und Gefühlswelt seiner Protagonisten offenlegt, aber auch augenzwinkernd und detailreich die Wandlung Chinas in der Zeit zwischen 1960 und 1980 kommentiert. Die Menschen kommen mir zu einfach weg, sind zu spröde und zu linear; obwohl es um Liebe zu gehen *scheint*, ist "Warten" ein bißchen blutleer, was nichts daran ändert, daß es ein *überaus* interessantes Buch ist, das auf keiner der 330 Seiten langweilt oder dem nichtasiatischen Leser große Mühen abverlangt. Es ist auch ein sehr deprimierendes Buch, denn das Leben im China der Nach- Mao-Zeit war (und ist immer noch) nicht gerade als paradiesisch zu bezeichnen.
Empfehlenswert.
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