Der normale Wahnsinn. Roman.
Matt Beaumont, Lübbe 2009


wahnsinn


Ein Roman wie ein Staffellauf

Managerin Kate hat ein Kind, um das sich aber das australische Au-Pair-Mädchen Chrissie kümmert, weil die Karrierefrau andere Sorgen hat und der Ehemann ein Taugenichts ist. Ali will ein Kind, aber sie und Gatte Paul müssen dafür zum vierten Mal die Tortur der In-Vitro-Fertilisation über sich ergehen lassen. Siobhan hat vier Kinder, die sie vollständig in Anspruch nehmen, während Ehemann Dominic, der Fernsehkomiker, vor allem mit seinem nächsten Programm befasst ist. Die drei Paare und eine Handvoll weiterer Figuren leben in London. Beaumont erzählt seinen neuen Roman im fliegenden Wechsel aus der Sicht seines Personals, wodurch sich eine rasante Abfolge von Szenen im Pulp-Fiction-Stil ergibt. Weitere Rollen spielen ein Jugendlicher, der ständig verhaftet wird, einfach weil er groß, schwarz und langhaarig ist, ein ruppiger Cop namens Keith, ein indischer Kellner, der gerne Comedian wäre und noch einige andere. Ihre Schicksale sind, natürlich, eng miteinander verwoben.

"Der normale Wahnsinn" ist ein nicht ganz glücklicher Titel für dieses Buch, das im Original "Small World" heißt. Deshalb ist die ziemlich dumme Frage "Sind Sie wahnsinnig genug, um dieses Buch zu lesen?" auf dem Buchrücken auch nicht einmal eine rhetorische. Es geht eigentlich um die Hast des Alltags, um Wünsche und Träume, um fehlende Kommunikation in Beziehungen, um vergangene Liebe, Aussichten und Aussichtslosigkeit - und um Kinder(wünsche). Der Roman dürfte der am wenigsten lustige des britischen Autors sein. Er lebt vor allem von der schnellen Schnittfolge, von der Erzählweise, bei der eine Figur die Perspektive wie einen Staffelstab an die nächste weitergibt.

Leider funktioniert das nicht immer gut. Die mit dem Leser parlierenden Protagonisten bleiben in ihrer Zeichnung oberflächlich, manch eine Wendung ist gnadenlos überzogen, vieles ist vorhersehbar, einige Personen wirken stereotyp und klischeehaft, wie etwa der rassistische, gewalttätige Bulle Keith oder der schwarze Junge Carlton. Das Personal ist auf seine Funktionen reduziert, und damit es dann auch funktionieren kann, verzichtet Beaumont auf Tiefgang und Nähe. Am Ende übertreibt es der Autor fast maßlos. Vieles in "Der normale Wahnsinn" erinnert dieserart an Filmkomödien von "Bridget Jones" über "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" bis "Tatsächlich Liebe", bei denen Rasanz und Amüsement über die ins Unermessliche gesteigerte Zufälligkeit der Handlung hinwegtäuschen.

"Der normale Wahnsinn" ist eine literarische Sitcom, bei der es vergleichsweise wenig zu lachen gibt. Gut gemacht und solide erzählt, aber substanzarm. Ein Rein-Raus-Buch für den Strand oder verregnete Wochenenden.

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