Wie ich mich einmal in alles verliebte. Roman.
Stefan Merrill Block, DuMont 2008
Seth ist sechzehn, als seine knapp fünfunddreißig Jahre alte Mutter die ersten Anzeichen der so genannten Alzheimer-Frühform zeigt, einer erblichen Variante jener degenerativen Krankheit, die das Gedächtnis der Patienten zerstört, so dass sie erst ihre kurzzeitigen Erinnerungen verlieren, bis sie schließlich, nach der Wiederholung einer kindheitsähnlichen Phase, sogar das Atmen "vergessen" und sterben. Der scheue, aknegeplagte Musterschüler wird zum Feldforscher. Er versucht, alles über die Vergangenheit seiner Mutter herauszufinden, über die sich beide Elternteile ausgeschwiegen haben. Seth träumt davon, zu einem Spezialisten für Alzheimer zu werden und ein Heilmittel zu entwickeln. Über all dem schwebt die Frage, ob Seth selbst die Krankheit "erben" wird.
Zur gleichen Zeit sitzt der achtundsechzig Jahre alte Abel irgendwo in Texas in einem verfallenden Farmhäuschen und wartet auf die Rückkehr seiner Tochter. In Rückblenden erzählt er, wie er zum Vater wurde, und wie sein Zwillingsbruder Paul schließlich erkrankte. Während Abel mit der Notwendigkeit konfrontiert wird, seine Eremitage aufzugeben, weil Vorstadt-Neubauten immer dichter an sein hässliches Eigenheim heranrücken, verliert er nach und nach die Hoffnung.
Und dann gibt es da noch "Isidora", jenes geheime, äußerst schwer zu findende Land des Vergessens, von dem nur wenige Menschen wissen, und in dem alle Bewohner glücklich sind, weil sie keine Angst haben, denn Angst existiert nur zusammen mit Erinnerung.
Bis sich alle drei Handlungsstränge verbinden, hat der Leser eine manchmal amüsante, häufig traurige, oft wunderschöne und nicht selten ergreifende, sehr schlaue Lektüre vor sich. Dieses - etwas unglücklich deutsch betitelte - Debüt wirkt zwar hier und da überkomponiert, als hätte der Autor unbedingt alles, was die Creative-Writing-Gurus vorgegeben haben, beachten wollen, und das im Klappentext vergebene Prädikat "Meisterwerk" mag etwas vorschnell vergeben worden sein, aber wirklich kritisieren lässt sich an diesem bemerkenswerten Buch eigentlich nichts. Ein schöner Roman, der einiges von "Supergute Tage" (Mark Haddon) hat, zugleich aber in der Erzähltradition von Franzen, Irving und Simmons steht. Großartig.