Die Transformation.
Roman.
Norman Spinrad, Heyne 2002

 

Gleich einem seiner Protagonisten, dem SF-Autor Dexter Lampkin, begründet sich Spinrads Ruhm auf einem Frühwerk, "Champion Jack Barron", das in den Siebzigern entstand. Seither hat Spinrad nur mäßig erfolgreiche Romane vorgelegt, "Die Transformation" wird als sein "Opus Magnum" angepriesen.

Könnte man sogar gelten lassen.

Dexter Lampkin begann seine Karriere als Science-Fiction-Schriftsteller mit jener Sorte von Buch, die von einer Botschaft und dem Bedürfnis, die Welt zu verbessern, getragen sind. Die Helden seines Romans, ambitionierte und zukunftsskeptische Wissenschaftler, gaukeln der Weltbevölkerung vor, eine außerirdische Botschafterin entdeckt zu haben, die gesandt wurde, um die Erde vor dem drohenden Untergang durch Umweltzerstörung, völlige Ausschöpfung der Ressourcen und Verzicht auf innovative Konzepte zu bewahren. Eine junge Frau wird kurzerhand mehreren Gehirnwäschen unterzogen, chirurgischen Eingriffen, heftigen Trainingsprogrammen, bis sie selbst glaubt, von einer Planetenförderation zu kommen, die die Erde nur in ihre Reihen aufnehmen würde, wenn die "Transformation" gelänge: Die Veränderung der geltenden Konzepte hin zu einem, das ein Überleben in Wohlstand und Freiheit bei gleichzeitiger Bewahrung der Natur garantieren würde. Der Coup gelingt, und letztlich kommen dann wirklich ein paar Aliens angedackelt und gratulieren der Erde zum Schritt in die nächste Stufe der Zivilisation.

Das Buch verkauft sich kaum, aber Lampkin gewinnt eine kleine, beharrliche Fangemeinde, die "Transformationalisten", deren Treffen er hin und wieder besucht. Nebenher hält er sich mit allen möglichen Schreibjobs über Wasser, klopft Treatments für SF-Comicserien zusammen, und läßt sich als Ehrengast auf den pausenlos stattfindenden SF-Cons aushalten, den Zusammenkünften des Fandoms, der eingeschworenen Gemeinde von fettleibigen, brillentragenden Trekkies und Wüstenplanet-Gläubigen, Star Wars-Anhängern und Fanzine-Herausgebern.

Dann tritt Ralf auf den Plan. Jimmy Texas Balaban, ein zweitklassiger Komiker-Agent, entdeckt irgendwo in der "Borscht-Provinz" einen flippigen Typen, der von sich behauptet, wiederum von seinem Agenten in die Vergangenheit geschickt worden zu sein, weil sich sein Programm in der unwirtlichen Zukunft abgenutzt hat. Balaban, Lampkin und eine esoterische Dozentin namens Amanda entwickeln die Fernsehshow "Ralfs Welt", in der das wirre Energiebündel das "Affenvolk" beschimpft, vom "Totenschiff Erde" faselt - mit wachsendem Erfolg. Dexter setzt das Fandom auf die Show an, und Ralfs Ideen, akribisch verwurstet mit den Konzepten aus Lampkins erfolglosem Roman, ziehen weite Kreise. Währenddessen hadern alle Beteiligten pausenlos mit der Frage, ob der gurkennasige Typ mit der quälenden Stimme nicht vielleicht doch *echt* ist.

Spinrad bewegt sich zwischen bösartiger Satire und harscher Gesellschaftskritik, macht sich einerseits auf wunderbare Weise über die SF-Fans und -Autoren lustig, laviert dabei dicht an der Nestbeschmutzung, während er andererseits alle zehn Finger in die Wunden der Welt legt, die tatsächlich so groß sind, daß selbst riesige Hände komplett darin verschwinden. Und das ist die Krux. Ist die Zukunft kausal oder optional, gibt es überhaupt noch die Chance, etwas zu ändern, gar zu retten, das "Sternenschiff Erde" zu kreieren, oder befinden wir uns wirklich schon lange auf einem Totenschiff, einem bei Flaute dahindümpelnden, miefigen Segler mit zerfetzter Takelage und dahinsiechender Mannschaft? Spielt es in diesem Zusammenhang überhaupt eine Rolle, ob der vermeintliche Botschafter aus der Zukunft die Wahrheit sagt?

Gleichzeitig beleuchtet das - etwas zu lange - Buch auf sehr interessante, überaus amüsante Weise das Schmuddeldasein der SF-Autoren und ihrer Anhänger, aber nicht nur das. Wie so häufig innerhalb des Genres, das literarisch betrachtet weniger als kaum Ansehen genießt, wartet Spinrad mit Fakten, Ideen und Reflexionen auf, die einleuchtend, plausibel, gewitzt und wohlrecherchiert anmuten. Eine Parallelhandlung um die Crack-Absteigerin "Lotter-Lotti" beweist nachhaltig die erzählerische Wandlungsfähigkeit des Autors. So steht am Ende nicht nur die Erkenntnis, ein intelligentes und vor Kreativität übersprudelndes Buch gelesen zu haben, sondern auch jene, daß das literarische Schattendasein des Genres nicht nur seit Philip K. Dick und anderen eigentlich jeder Begründung entbehrt.

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©Tom Liehr - http://www.tom-liehr.de - Kontakt