Die Stadt der träumenden Bücher. Roman.
Walter Moers, Piper 2006

Als sein Schreibpate stirbt, und ihm als Vermächtnis eine (fremde) Geschichte hinterläßt, die man (selbstverständlich, wir lesen schließlich Moers) ohne Übertreibung als den "besten aller je geschriebenen Texte" bezeichnen kann, macht sich der noch am Anfang seiner Karriere stehende Lindwurm und Schriftsteller in spe Hildegunst von Mythenmetz auf den Weg nach Buchhaim, der "Stadt der träumenden Bücher", um den Autor zu finden. Die Suche an jenem Ort, an dem sich alles um Bücher dreht, wird beschwerlicher, als sich unser literaturbegeisterter Freund das vorgestellt hat, und Mirnichtsdirnichts befindet er sich mitten in einer Verschwörung, hinter der nicht weniger als der Versuch, die Herrschaft über Zamonien übernehmen zu wollen, steht.

Walter Moers ist so einer, dem man gerne mal bei der Arbeit über die Schulter schauen würde. Kichert der Mann die ganze Zeit grenzdebil vor sich hin? Oder ist er einer jener energischen, hochkonzentrierten Köpfe, die schreiendkomische Texte fabrizieren können, ohne dabei auch nur die Mundwinkel hochzuziehen? Jedenfalls ist er definitiv vom Orm durchströmt, jener geheimnisvollen, inspirierenden Kraft, ohne die kein Schriftsteller je Genialität erreichen kann. Mythenmetz zweifelt an, daß diese Muse überhaupt existiert, aber da wir die Fortsetzung seiner Karriere bereits kennen, wissen wir es besser.

In den Katakomben unter der Stadt begegnet der junge Dinosaurier sagenhaften Gestalten, von den kleinen, aber gefürchteten "Buchlingen", die jeweils die Arbeit eines Autor auswendig kennen und sich dessen Namen gegeben haben, bis hin zu den "Bücherjägern", die gnadenlos und sehr gewalttätig auf der Suche nach antiquarischen Schätzen sind. Er sieht und lernt eine unfaßbare Menge über Bücher, Papier, Stilarten und Schreibtrends, lernt "gefährliche Bücher" kennen und sogar lebende, und in Schloß Schattenhall trifft er auch endlich auf jenen bewundernswerten Verfasser des idealen Textes. Am Ende der über vierhundert Seiten wird er den Siegeszug des Orms über das Mittelmaß einläuten.

Meine Hochachtung. Jeder fantastischen und atemberaubenden Idee läßt Moers eine noch fantastischere und atemberaubendere folgen. Und es ist kaum zu fassen, wie variations- und ideenreich das Thema "Bücher" bearbeitet werden kann. Zudem bekommen so gut wie alle Vertreter des Literaturbetriebs ihr Fett weg. Eine amüsante, zwar nicht immer spannende, aber ergreifend schöne, liebevolle und augenzwinkernde Geschichte, die nicht nur Menschen Spaß bereiten dürfte, die energische Vielleser oder -schreiber sind.

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