Timbuktu.
Roman.
Paul Auster, rororo 2000, (TB)



"Wenn Du es nicht rammeln oder fressen kannst, piß drauf", so stellt sich, leicht vereinfacht, die Philosophie des Hundes aus Sicht mancher Menschen dar.

Austers feiner, kleiner Roman falsifiziert diese Meinung. Die Promenadenmischung Mr. Bones war sein ganzes Leben lang - sieben Jahre - der Hund des 1968 im Drogenrausch durchgeknallten Willy G. Christmas, der vorher Willy Gurevitch hieß, bis eines Nachts der Weihnachtsmann aus dem Fernseher zu ihm sprach. Willy ist so eine Art Landstreicher, dessen zivilisatorische Wurzeln sich mehr und mehr lösen, als der letzte Kontakt, die alte Mutter verstirbt.
Doch auch Willys Tage sind gezählt. Als mit dem morgendlichen Husten die ersten blutigen Auswürfe kommen, wird dem Straßenpoeten und dessen treuem Freund bewußt, daß das Ende einer sanften, fairen Kameradschaft naht. Beide treten eine vorletzte Reise an, nach Baltimore, um eine alte Lehrerin von Willy zu finden, die sich um Bones und die Manuskripte des sterbenden Literaten-Penners kümmern soll.

"Timbuktu" erzählt von diesen letzten Tagen, in Rückblenden von der Zeit davor und schließlich von der Zeit danach, als Bones, auf sich selbst gestellt, im Leben zurechtkommen muß, auf einem neuen Planeten quasi, seit ihn der Planet "Willy" verstoßen hat. Er bleibt aufrecht und hält durch ob des gemeinsamen Traumes, denn nach dem Tod wird man sich wiedertreffen, in Timbuktu, dem Ort, an den die guten Menschen und - vielleicht - ihre guten Hunde kommen.

Auster, der so verschiedenartige Bücher wie die "New York Trilogie", das deprimierende "Im Land der letzten Dinge", die Romane und Drehbücher zu "Smoke" und "Blue in the face" oder, zuletzt, "Lulu on the bridge" (hier führte der Autor zum ersten Mal bei der Verfilmung Regie) vorgelegt hat, beweist mit "Timbuktu", daß man einen Roman aus der Sicht eines Tieres schreiben kann, ohne schwafelig, tränendrüsig oder fabulierend zu werden. Bones ist ein Hund, der mitten im Leben steht, nur deshalb nicht reden kann, weil ihm biologische Voraussetzungen dafür fehlen, die Welt mit unscharfen Augen und brillanter Nase beobachtet - und gezwungen ist, auf seine alten Tage völlig neue Paradigmen zu erwägen.

"Timbuktu" ist amüsant, erfrischend, melancholisch und feinfühlig - ein ganz wunderbares, optimistisches Buch. Gleichzeitig kommt es ein bißchen daher, wie ein Abgesang auf die Beatniks Kerouac und Co. Lesen!

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