Talk Talk. Roman.
T. C. Boyle, Hanser 2006


Die taube Dana Halter, Lehrerin an einer Gehörlosenschule, wird bei einer Verkehrskontrolle verhaftet. Während die schöne junge Frau im Bezirksgefängnis sitzt und ihr aufopfernder, nichtbehinderter Freund Job und Karriere riskiert, um sie aus der erschreckenden Situation zu befreien, offenbaren sich die Hintergründe. Jemand hat sich der Identität von Dana bemächtigt, in ihrem Namen Kreditkarten beantragt, Ratenkäufe getätigt, Schwerverbrechen begangen. Gemeinsam mit Bridger, dem Freund, macht sich die tapfere Frau auf die Suche nach ihrem Peiniger. Die Jagd führt quer durch die Vereinigten Staaten, während der Gejagte wieder und wieder die Identität wechselt, und sogar in diejenige von Bridger schlüpft.

Anfangs liest sich der neue Boyle spannend und ambitioniert. Da erfährt man viel über die Schwächen des amerikanischen Rechtssystems, darüber, wie leicht es die Datengesellschaft und die Habgier der Kreditkartenfirmen Verbrechern machen, die nur einen Namen und ein paar Nummern brauchen, um Existenzen zu ruinieren. Aber dann verliert sich die Thematik alsbald, die ohnehin bestenfalls angedeutet wird - hier wäre es wirklich spannend gewesen, mehr Details zu erfahren -, und der Roman wird zur simplen Verbrecherjagd. Dabei bleiben jede Menge Fragen offen, wie nicht zuletzt diejenige, warum sich absolut niemand bei der Polizei für das Geschehen zu interessieren scheint.

Bleibt der zweite Hauptstrang, die titelgebende Gehörlosigkeit der Protagonistin ("Talk Talk" steht für die Gebärdensprache). Auch hier wirkt das Buch diffus, es fehlt an Empathie und, um ehrlich zu sein, auch die Verbindung zur Hauptthematik. Selbstverständlich ist es für Menschen mit kommunikativen Schwierigkeiten um so härter, sich zu wehren, in einer Welt, die schnell spricht und nicht zuhört. Doch das bleibt bestenfalls auf einer Andeutungsebene, und auch die Beziehungsschwierigkeiten, die sich hieraus ergeben, rufen in der Art, wie Boyle sie schildert, höchstens verständnisvolles Schulterzucken hervor. Die Figuren vereinnahmen nicht, die Handlung nervt sogar irgendwann, und das Ende dieses Buches ist schlichtweg eine Katastrophe.

Fazit: Anfangs hofft man, aber später nur noch darauf, es endlich bis zur letzten Seite geschafft zu haben.

Das Buch bei Amazon

zurück

Übersicht: Tom Liehr

©Tom Liehr - http://www.tom-liehr.de - Kontakt