Sommerhaus später.
Erzählungen
Judith Hermann, Collection S. Fischer


Der Traum jedes Nachwuchsautors: Mit einer Anthologie debütieren, populär werden, sogar die Bestsellerlisten anführen.
Nach eindringlicher Empfehlung durch das "Literarische Quartett" gelang der jungen Berlinerin dieses Kunststück - für mich gleichzeitig der Grund, dieses Buch vorläufig nicht anzufassen. Zwei Jahre später, der Hype hat sich längst gelegt, kam mir "Sommerhaus, später" wieder in die Finger, und da ich in der Stimmung war, die der Titel zu vermitteln versucht - nunwohl.

Judith Hermann ist für Ihre Sprache gelobt worden. Ich möchte sie dafür loben, diese Sprache benutzen zu können, um den Alltag gleichsam zu verdichten, um distanzierte Nähe zu vermitteln, um spröde, fast beiläufig zu erzählen, aber gleichzeitig einen recht nachhaltigen Eindruck zu erzeugen, zu hinterlassen.

Die wechselnden Protagonisten der Geschichten befinden sich nicht in sonderlich originellen Situationen; einige befinden sich genaugenommen überhaupt nicht in Situationen. Hermanns Geschichten fehlt die aufdringliche Linearität und Zweckbestimmtheit, die viele Kurzgeschichten prägt: Das unablässig Zielbezogene, die Prägung des Protagonisten durch den Kern der Geschichte. Ihre Figuren sind leicht, gleichzeitig zwingend, sind der Vielschichtigkeit des Seins ausgesetzt, leben in Schwebezuständen, beobachten, treffen Fehlentscheidungen, oder keine.

Allerdings hätte mir die Hälfte auch gereicht. Die variationsarme, aber sehr, sehr angemessene Diktion ermüdet; die Handlungsarmut und der Beobachtungsreichtum der Stories tun ihr übriges, und zwei, drei Geschichten fand ich schlicht blöd. Das schmälert den Gesamteindruck allerdings nicht: Solide Arbeit, einfallsreich, originell formuliert, mutig verlegt, reichlich entlohnt. Im August erscheint "The Summer House, later" in gebundener Fassung beim britischen Flamingo-Verlag.


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