Der Sommer ohne Männer. Roman.
Siri Hustvedt, Rowohlt März 2011
Nicht lustig genug für eine Satire
Mia, die vom Ehemann Boris für eine dreißig Jahre jüngere und auch noch französische „Pause“ verlassene Bildungsbürgerin, kehrt nach einem Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik in die Provinz ihrer Kindheit zurück, wo ihre Mutter im Altenheim lebt. Die männerfreien Wochen in Minnesota versprechen, zur Katharis zu werden, aber das Versprechen hält Hustvedt nicht ein.
Die Autorin, so meint man, ist eigentlich zu schlau, um nur die lahme Nabelschau einer mittelmäßigen Poetin (Mia hat ein paar Gedichtbände veröffentlicht) abzuliefern, die sich offenbar berufen fühlt, auf altruistisch-gelehrige Weise bei allen möglichen Konflikte mitzumischen, aber genau das und kein bisschen mehr bleibt am Ende: Mia reißt eine Schneise poetisch-überklug-liebevoller, mit geborgten Erkenntnissen durchsetzter Gutmenschelei in das Sammelsurium mehr oder weniger abseitiger - und ausschließlich weiblicher - Existenzen, die ihr übrigens allesamt gnadenlos unterlegen sind, vielleicht abgesehen von einem anonymen Schmähmailschreiber, mit dem sie in einen existentialistischen Diskurs eintritt. Nebenher kittet sie die Krise zwischen einigen Teenagerinnen, für die sie ein Lyrik-Workshop veranstaltet, verhilft einer künstlerisch ambitionierten Altenheimbewohnerin zu etwas später Anerkennung, freundet sich mit der misshandelten Nachbarsfrau an - und schwadroniert zwischendrin über Kunst, Lyrik und Philosophie, wenn sie nicht gerade Boris nachtrauert oder an einem obskuren Sextagebuch arbeitet.
„Kunst darf alles“, erklärt Mia irgendwo im letzten Drittel, womit sie fraglos Recht hat, und sie liefert damit die Begründung für das stilistische und dramaturgische Durcheinander, das Hustvedt hier vorgelegt hat: Ein gleichsam zerrissenes, aber äußerst braves Buch über eine nur scheinbar schlaue, unterm Strich abstoßend konfliktunfähige Frau, die Intellekt mit Wissen verwechselt, Lyrik für eine Therapie und Geschlecht für eine Seinsform hält - und Problemlösungen an der falschen Stelle sucht. Fast schon widerwillig folgt der Leser Mias Nicht-Entwicklung, an deren Ende weder Erkenntnis, noch eine Wandlung steht, sondern höchstens die oxymorotische Feststellung, dass Klugheit nicht vor Dummheit schützt.
Bleibt die Frage, was „Der Sommer ohne Männer“ eigentlich sein soll oder will. Hin und wieder beschlich mich das Gefühl, eine Satire auf den Feminismus der Siebziger Jahre zu lesen (worauf die Abhandlungen über die Klitoris ein Indiz sind), aber dafür ist das Buch nicht lustig genug - es ist nämlich überhaupt nicht lustig. Aber auch nicht spannend, ergreifend, erhellend oder mit irgendeiner anderen Qualität ausgestattet, sondern auf dumpfe Weise reduziert, peinlich intim, linear, nichtssagend und alles andere als kämpferisch. Einer unbekannten Autorin würde man zurufen: Das wäre besser ein Tagebuch geblieben!