Snuff. Roman.
Chuck Palahniuk, Manhattan 2008


snuff


Der letzte Gangbang

Die alternde Pornodarstellerin Cassie Wright will es noch einmal wissen: Im größten Gangbang der Sexfilm-Geschichte soll sie von nicht weniger als 600 Männern nacheinander begattet werden. Während die ehemals sehr populäre Diva im Studio bereitliegt, stehen die zusammengecasteten Bettpartner in einem stinkenden Warteraum herum, in Unterhosen, und jeder trägt eine Nummer auf dem Oberarm. "Snuff" erzählt aus der Sicht der Nummern 72, 173 und 600 von der Wartezeit - an deren Ende vermutlich der Tod der Protagonistin stehen wird, denn 600 einminütige Sexszenen nacheinander überlebt man einfach nicht. Daher auch der Name des Buches: "Snuff"-Videos sind solche von echten Sterbeszenen, wobei der Zweck des Sterbens darin besteht, aufgezeichnet zu werden.

Nummer 72 glaubt von sich, der legendäre, seinerzeit zur Adoption freigegebene Sohn der Diva zu sein, Produkt eines Pornodrehs. 173 ist ein kürzlich geschasster Serienstar, die sich auf diese Art vom Vorwurf der latenten Homosexualität befreien und rehabilitieren will. Und Nummer 600 ist jener - inzwischen auch in die Jahre gekommene - Pornodarsteller, mit dem Cassie Wright viele Filme gedreht (und möglicherweise Nummer 72 gezeugt) hat. Ihm soll die Ehre zukommen, als letzter ins Studio zu gehen. Ganz egal, ob Wright zu diesem Zeitpunkt noch lebt oder schon nicht mehr.

Wer Palahniuk kennt, weiß, was er zu erwarten hat. Der kultige Autor geht schonungslos, amüsant und kenntnisreich zur Sache. Er erzählt lakonisch, originell und knallhart über diese seltsame Branche und ihre Eigenarten, über jene schmerzhaften Tricks, die auch bekannte Hollywoodstars angewendet haben, um das eigene Alter zu kaschieren und vor der Kamera schön und begehrenswert zu wirken. "Snuff" ist nicht nur ein Buch über die Pornoindustrie, sondern über die gesamte Illusionsmaschine Film, von der sie ein Teil ist.

Das ist kein Buch für zarte Gemüter. Die Story um das verloren geglaubte Kind der Porno-Queen hält es locker zusammen, aber dieser wilde, amüsante und auch erschreckende Roman zeichnet ein Bild von einer Tabuzone der Unterhaltungsindustrie, die verblüffend exemplarisch für das Ganze steht. Kurzweilig, knochentrocken, brutal, brillant.

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Übersicht: Tom Liehr

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