Serenade. Roman.
Leon de Winter, Diogenes, Oktober 1998
Benjamin Weiss schreibt die Musik zu Werbespots, weil ihm der Mut fehlt, sich an größere Kompositionen zu wagen, aber er hat ein gutes Auskommen mit seiner Tätigkeit. Auch sonst funktioniert sein Leben ganz gut, bis er erfährt, dass die geliebte Mutter an Krebs erkrankt ist und bald sterben wird. Anneke, jene Mutter, erlebt aber gerade zu dieser Zeit ihren zweiten Frühling in Gestalt des eleganten, ein wenig mysteriösen Charmeurs Fred, der 76 Jahre alt ist. Deshalb lässt Ben sie bezüglich der Diagnose im Ungewissen. Doch plötzlich verschwindet Anneke. Gemeinsam mit Fred macht sich Ben auf die Suche und wird in Sarajewo fündig. Dort tobt der Balkankrieg, und offenbar will die Mutter, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, vor Ort helfen.
Der sehr kurze Roman ist eine Hommage de Winters an seine eigene Mutter, die 1994 an Krebs starb. Deshalb ist das Buch möglicherweise sehr persönlich geraten, aber es thematisiert längst nicht nur eine schmerzhaft-liebevolle Mutter-Sohn-Beziehung, sondern die Traumatisierung durch Kriegserlebnisse und das kollektive Wegschauen der Welt, die sich bestenfalls oberflächlich engagiert, wenn derlei geschieht. Anneke jedoch möchte konkret werden, um das eigene Erleben zu kompensieren. Sie konfrontiert den Sohn mit seiner eigenen Hilflosigkeit, der dieserart die letzte Lektion von der Mutter lernt und, wenn man so will, erwachsen wird, quasi stellvertretend.
Ein schönes, leises, scheinbar einfach strukturiertes Buch, das einen starken Nachhall erzeugt.