Selbs Justiz. Roman.
Bernhard Schlink, Walter Popp, Diogenes 2000


Das Chemiewerk der RCW beherrscht Ludwigshafen, und das Werk wird beherrscht von Korten, der nach dem zweiten Weltkrieg eine kometenhafte Karriere im Betrieb absolvierte. Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung ist ein dubioser Prozeß, der während der Nazizeit gegen drei Forschungsmitarbeiter geführt wurde, darunter ein jüdischer Zwangsarbeiter. Staatsanwalt in diesem Prozeß war Gerhard Selb, Schwager von Korten, und inzwischen Privatdetektiv, der seine unrühmliche Vergangenheit bewältigt zu haben scheint.

Als merkwürdige Computerprobleme auftauchen, etwa sämtliche Sekretärinnen plötzlich 500 DM mehr Gehalt bekommen oder alle Konten gelöscht werden, die mit der Zahl "13" beginnen, ruft Korten seinen Schwager zur Hilfe. Relativ rasch findet Selb den vermeintlichen Täter. Ohne viel Aufsehen wird das Problem beseitigt. Nachdem Selb aus seinem anschließenden Urlaub zurückkehrt, muß er feststellen, daß das Problem doch recht gründlich beseitigt wurde ...

Schlink und Popp haben mit Gerhard Selb keinen Antihelden kreiert, sondern einen reflektierenden, gewissenhaften, recht hedonistischen Spätsechziger, der sich so seine Gedanken macht, mit offenen Augen durch die Welt geht und sich - letztlich - nicht instrumentalisieren läßt, weil das während der Nazizeit bereits im Übermaß geschehen ist. Selb wirkt sympathisch-distanziert, aber nicht überzogen selbstbewußt; es macht einfach Spaß, ihm nicht nur bei der Arbeit zuzusehen, sondern auch bei seiner Art, mit Menschen umzugehen, zu flirten, zu essen, Musik zu hören oder seinen Kater "Turbo" zu verwöhnen.

Spannende, intelligente und vortrefflich erzählte Lektüre. Die Nachfolger "Selbs Betrug" und "Selbs Mord", die Schlink dann alleine verfaßt hat, liegen schon bereit.

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Übersicht: Tom Liehr

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