Schiffbruch mit Tiger.
Roman.
Yann Martel, S. Fischer


Piscine Molitor Martel wächst als Sohn eines indischen Zoobesitzers auf, die Familie ist nett, aber durch und durch atheistisch-kapitalistisch, was Piscine, der sich "Pi" nennt, um der Verhohnepipelung als "Pisser" zu entgehen, dazu treibt, sich allen drei großen Weltreligionen anzuschließen - sehr zur Verwirrung der Kirchenvertreter. Er nimmt das Leben im Zoo sehr achtsam war, beschäftigt sich eingehend mit den Tieren, ihrem Verhalten, berichtet von seltsamen Symbiosen, etwa dem Zusammenleben zweier Nilpferde mit einer Herde Schafe, und korrigiert ganz nebenbei haufenweise Vorurteile zum Thema "Tiere in Gefangenschaft".

Doch die Familie beschließt Ende der Siebziger, nach Kanada auszuwandern. Die Tiere werden verkauft, der Zoo wird aufgelöst, ein Teil des wilden Volkes kommt mit auf den rostigen Frachter, der die Martels nach Amerika bringen soll. Das Schiff geht unter, der junge Pi findet sich als einzig menschlicher Überlebender auf einem Rettungsboot wieder - gemeinsam mit einem verletzten Zebra, einer Orang-Utan-Dame, einer Tüpfelhyäne und Richard Parker. Dem Tiger. Einem ausgewachsenen Tiger. Nicht gerade eine Situation, die nach einer gemütlichen Robinsonade klingt. Erst reißt die Hyäne das Zebra und den Affen, was sich Richard Parker eine Weile ansieht, bis er schließlich eingreift. Pi Martel und der Tiger verbleiben auf dem sechs Meter langen Boot, wochen-, monatelang. Von dieser Zeit erzählt das Buch hauptsächlich: Vom Hunger und Durst, vom Wetter und vom Meer, insbesondere aber von Revier- und Behauptungskämpfen zwischen den ungleichen Schiffbrüchigen, von der erzwungenen Entwicklung eines Vegetariers zum Fleischesser. Bis zum sehr überraschenden Ende.

Man glaubt es kaum, wie akribisch, einfühlsam, behutsam und gleichzeitig brutal eine solch recht einfache Geschichte erzählt werden kann - alle Achtung. Der Roman wird an keiner Stelle langweilig, obwohl wenig geschieht, und was geschieht, hat eine innere Langsamkeit, bedingt durch die Situation - und auf fantastische Weise dem Leser vermittelt. Der Hype, der um dieses Buch gemacht wird, ist angemessen und nicht übertrieben: Yann Martel ist ein toller Erzähler, originell, unkonventionell und sprachlich ohne Vergleich. Lesen!


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Übersicht: Tom Liehr

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