Die Kinder des Saturn. Roman.
Charles Stross, Heyne
2009

Die Kinder des Saturn

Robotersklaven

In einer nicht allzu fernen Zukunft ist das gesamte Sonnensystem besiedelt; sogar im Kuipergürtel und darüber hinaus befinden sich Raumhäfen und Städte. Nur Menschen gibt es nicht mehr. Das Geschlecht der "Schöpfer" ist irgendwann einfach ausgestorben. Ihren Nachlass verwalten Androiden. Diese Roboter besitzen - je nach Zweck - sehr unterschiedliche Körper, von der humanoiden, sexfähigen Gespielin bis hin zur "Spinne", einer Art intelligentem Fortbewegungsmittel. Gemein sind all diesen Geschöpfen zwei Dinge: Erstens sind sie als Sklaven der Menschen gebaut und konditioniert worden. Und zweitens stellen ihre Gehirne Nachahmungen der menschlichen Gehirne dar, weil es den Menschen vor der eigenen Ausrottung nie gelungen ist, echte "künstliche" Intelligenz zu erschaffen. Deshalb hat man irgendwann einfach das menschliche Gehirn direkt technologisch nachempfunden. Aus diesem Grund haben die Kunstwesen auch langjährige Erziehungsphasen hinter sich - jedenfalls die ersten Generationen, die zur Kopiervorlage für spätere wurden. Sie sind denk-, empfindungs- und entwicklungsfähig. In sogenannten "Seelenchips" können sie ihre Bewusstseine und Erfahrungen - bis zu einer gewissen Grenze - speichern. Andere Chips dienen dazu, Roboter zu Sklaven anderer (Roboter) zu machen. Sterbende Roboter vermachen ihre Chips den "Seelenfriedhöfen" der jeweiligen Art, wodurch ihre Erfahrungen zum Bestandteil derjenigen der "Geschwister" werden.

Die Gesellschaft ist archaisch und brutal, es herrschen Intrigen und diffizile Klassensysteme. Einige Gruppen sind offenbar damit befasst, weit draußen am Rand des Sonnensystems in geheimen Labors die Schöpfer wiederauferstehen zu lassen.

Freya stammt aus der zweiten Folgegeneration weiblicher Roboter, die ursprünglich als Lustobjekte für Menschen entwickelt wurden. Ihre Libido ist stark ausgeprägt, aber da es keine Menschen mehr gibt, fehlt ihr der Einsatzzweck. Eine obskure Firma namens Jeeves wirbt sie für Kuriertätigkeiten an, die sie durch das gesamte Sonnensystem führen.

Der aus Freyas Sicht im Präsens erzählte, fast fünfhundert Seiten starke Roman des Autors u.a. von "Accelerando" und "Glashaus" beeindruckt durch seine Dichte, seine dramaturgische Klugheit, die vielen mythologischen und literaturgeschichtlichen Anspielungen - und überaus plausibel geschilderte Technologie. Freyas Odyssee über mehrere Planeten, Monde und Asteroiden ist zugleich rasant, nachdenklich, schmerzhaft, verwirrend und ziemlich politisch. Denn das Buch handelt von Sklaverei - die Menschen hatten jene Roboter konstruiert, um sich aller missliebigen Tätigkeiten entledigen zu können. Sklaverei aber führt in die Stagnation, was in der Konsequenz das Aussterben der Menschheit bewirkte. Ihre Hinterlassenschaft besteht aus häufig sehr depressiven, vor allem aber unfreien Wesen, die nach wie vor nicht davon ablassen können, an die eigenen Schöpfer zu glauben, schlicht weil sie ihren Daseinszweck darstellen.

Es ist schon verblüffend, wie es Stross gelingt, die Gedankenwelt eines zerrissenen, aber im Wortsinn selbstbewussten Kunstwesens zu skizzieren. Der anfängliche innere Widerstand gegen einen Roboter als Erzählfigur löst sich alsbald auf. "Die Kinder des Saturn" ist spannend, intelligent und vielschichtig - zuweilen allerdings ein bisschen zu vielschichtig. So muss Stross am Schluss einiges erklären, um das komplexe Gebilde zu einem Ende zu führen, wobei hier und da ein Handlungsstrang auf der Strecke bleibt, was dem Roman aber nicht schadet. Clevere, hochklassige Science Fiction, die Stross' Ruf untermauert, zu den wenigen Autoren zu gehören, die einen Schritt weiter denken.

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