Säugetiere. Roman.
Pierre Mérot, Hanser 2004


Der "Onkel", wie er genannt wird und dessen richtigen Namen der Leser nicht erfährt, ist um die vierzig, Akademiker, Alkoholiker, promisk, meistens arbeitslos, in oder auf der Suche nach einem Job, der ihm keinen Ehrgeiz abverlangt. Er ist Bestandteil einer amorphen Familie, für die er das "schwarze Schaf" repräsentiert, gelegentlich führt er eine neue Eroberung vor, wohnt auch für ein paar Wochen wieder bei der Mama, um sich im Anschluß in die nächste Amoure zu stürzen und nächtelang hektoliterweise zu saufen. In Rückblenden und Gegenwartsepisoden erzählt der "Onkel" von sich selbst, kommentiert und erläutert, schwadroniert und philosophiert.

Mérots Buch ist in Frankreich umjubelt, gefeiert, gelobt und geächtet worden - und natürlich war der Houellebeqc-Vergleich schnell bei der Hand. Vergleiche sind so eine Sache. Während Houellebeqc die Schärfe seiner beurteilenden Betrachtungen aus hoher Eloquenz, gnadenlosem Umgang mit den eigenen Figuren und halbwissenschaftlichem Beiwerk komponiert, läßt Mérot einzig seinen Protagonisten - aus dessen Sicht, manchmal aber auch ganz allgemein dozierend - ein zynisches,
asoziales, herablassendes Weltbild formulieren. In sehr unliterarischer, halbessayistischer, oft sehr einfacher Sprache, durchmischt mit Aphorismen und erschreckend gemeinten Feststellungen diagnostiziert der Onkel, wie die Welt ist, insbesondere das als sinngebend verstandene Gefüge der Familie, jener Säugetiere, die nun
einmal andere zeugen - und damit konkrete Erwartungen verbinden. Der "Onkel" ist es, der das Gefüge mißachtet und alle Erwartungen mißerfüllt. Er soll als derjenige verstanden werden, der die großen Lügen hinter diesen, eigentlich *allen* sozialen Gebäuden offenbart.

Beim Lesen fragt man sich gehäuft: Warum? Was soll das? Ist es als Haßtirade gemeint, als Bestandsaufnahme, was soll dieses aufgesetzt-entlarvende Geschwafel über Liebe, Ehrgeiz, Bindung und Strukturen? Ob Mérot über Kneipen schwätzt oder über Schulen, es nimmt sich nichts; die vermeintlichen Bindungen werden als nichtexistent ermittelt, die Menschen allgemein als Lügner, mindestens Selbstbetrüger, der Weg des Onkels, die Verweigerung auf niedrigstmöglichem Niveau, als der Weg aus der Misere verkauft. Das hätte ja noch lustig sein können, intelligent, ironisch, sarkastisch, *irgendwie* humorvoll, aber es ist leider extrem langweilig,
emotionslos, bar jeder Empathie, eine Haudrauftbeschimpfung ohne Anfang und Ende, zuweilen sehr mäßig erzählt.

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