Das Recht auf Rückkehr. Roman.
Leon de Winter, Diognes 2009


Am Ende eher unzufrieden

Im Jahr 2024 ist von Israel nur noch Tel Aviv übriggeblieben, dazu ein weitgehend entvölkertes Areal drumherum. Jerusalem gehört den Palästinensern, und die schwindende jüdische Bevölkerung im kleinen Rumpfstaat altert schneller als die Rettungswagen fahren können. Einen dieser Rettungswagen fährt Abraham Mannheim, genannt Bram, Professor für Geschichte, Sohn eines Nobelpreisträgers für Physik, in seiner Freizeit ehrenamtlich, wie viele andere Israelis auch. Mannheim betreibt hauptberuflich eine Agentur, die nach Spuren verlorener Kinder sucht. Da erschüttert ein Selbstmordattentat die Stadt. Obwohl die Übergänge DNA-gesichert sind und kein nichtjüdischer Mensch sie passieren können dürfte, schafft es ein Attentäter und sprengt den Kontrollpunkt in die Luft. Wie sich herausstellt, besaß dieser Attentäter jüdische DNA. Und die Spur zu diesem Attentäter führt Mannheim in die eigene Vergangenheit.

Früher, in unserer Jetztzeit, war Mannheim glücklich. Er hatte eine großartige Frau, einen geliebten Sohn, ein Angebot aus Amerika für eine Dozentenstelle in Princeton. Das er annahm, als Sohn und Frau beinahe bei einem Anschlag ums Leben kamen.
Doch ausgerechnet im sicher geglaubten Amerika, in einem Haus, so groß, dass die Bevölkerung Israels aus dem Jahr 2024 darin Platz hätte, tritt die Katastrophe ein. Benny Mannheim, der Sohn, verschwindet. Bram Mannheims Leben verändert sich schlagartig, und auch er ändert sich, gerät in einen Wahn, der ihn an die Magie bestimmter Zahlen glauben lässt und in eine Irrfahrt zwingt. Jahrelang sucht er, meistens auf der Straße lebend, die USA nach dem verschwundenen Sohn ab. Bis er eines Tages zufällig die Tochter eines jüdischen Millionärs rettet. Und wieder ändert sich alles.

De Winters neuer, selbstverständlich vortrefflich formulierter Roman ist vielschichtig, fast ein bisschen zu vielschichtig für meinen Geschmack. Das verbindende Thema, nämlich die Zukunft Israels, die politischen Interessen, die blutrünstige Gewaltbereitschaft der "Gegenseite", der unbedingte Überlebenswille, der Kampf gegen den Terror und vieles mehr aus diesem Kanon schleifen die persönliche Geschichte der Hauptfigur zur Nebenhandlung. Daran ändert die ergreifende, schmerzvolle Schilderung der tragischen Ereignisse und ihrer Konsequenzen nur wenig. "Das Recht auf Rückkehr" ist ein Statement, eine wütende Prognose, eine Anklage. Es ist eine fraglos vorstellbare Fiktion, die de Winter eindringlich, aber keineswegs selbstherrlich entwirft. Eine, die den Wahnsinn der absoluten Gottesfürchtigkeit, aber auch des "Kampfes gegen den Terror" und ihre jeweiligen Konsequenzen für das Weltgefüge vielleicht nicht auf neue, wenigstens aber auf originelle Weise beleuchtet.

Am Ende war ich eher unzufrieden. In "Malibu" hat de Winter selbst den Maßstab dafür gesetzt, wie erschütternd man einen Verlust wie jenen, den auch Bram Mannheim erleben muss, schildern kann, und es gelingt ihm in "Das Recht auf Rückkehr" nicht, das zu wiederholen. Und die Geschichte ist zwar spannend, facettenreich, provozierend und nicht selten erschreckend, wirkt aber häufig nüchtern konstruiert und ist so sehr von plakativer Metaphorik durchsetzt, dass auch die brillante Sprache nicht davon abzulenken in der Lage ist, dass sich der bärenstarke Leon de Winter hier um ein paar Zehntel Gramm verhoben hat. Trotzdem ein lesenswertes, (weil) sehr politisches Buch.

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