Rave. Erzählung.
Rainald Goetz, Suhrkamp 1999
Goetz orientiert sich wenig an gängigen literarischen Definitionen. Sein nach wie vor bemerkenswertestes Buch - "Irre" - zeugte bereits von substantieller, aber fundierter Ignoranz, kam es in der ersten Hälfte noch als klassischer Erzählroman, um in der zweiten Hälfte ein Maß an Verwirrung zu stiften, das alleine genügt hätte, um den Titel zu rechtfertigen - wäre es nicht außerdem um psychisch Kranke gegangen."Rave", wie auch die anderen vier Erzählungen aus dem Zyklus "Heute morgen", setzt der literarischen Mißachtung noch einen drauf. Das Geschehen ist die Handlung, das Gespräch der Dialog, der Verlauf ist der Plot; Gegenwartsliteratur als fotographisches Dokument, als Wiedergabe ohne Kommentar, Gedanken sind, sobald gedacht, auch wert, wichtig, und also Bestandteil des Werkes.
Ein Sammelsurium von Protagonisten wird durch die Nächte und Parties gestoßen, ob in Münchener Nobeldiscos oder Großraumclubs auf Ibiza, der nicht mehr ganz junge Goetz mittendrin, im Hintergrund sein leicht infantiles, drogengeschwängertes Gedankengut, die mittelbare und unmittelbare Reflexion, reduziert wiedergegebenen in fragmentarischen Zwei-, Dreiwortesätzen, gemixt mit essayistischen Betrachtungen etwa zur "Kunst des Auflegens" und darüber, wie blöd es ist, auf Drogen zu verzichten. "Rave" liest sich wie ein Tagebuch, eine Notizensammlung, verzichtet dabei weitgehend auf Spannung und Handlungsabfolgen, Nonkonformismus pur, fast um jeden Preis.
Na ja. Ist das Literatur? Natürlich, ich halte es ja in Buchform in den Händen. Ist es wichtig, ist es ein Dokument, lerne, erfahre ich etwas?
Nein. Letztlich bestätigt "Rave" nur alle Klischees, verfährt wie die geschmähten RTL2-Reporter, fokussiert auf Drogen, DJ-Kultur (scheitert übrigens hier an einer Definition) und oberflächliches Gehabe, skizziert seine Figuren nur ansatzweise, bleibt ohne Essenz und Botschaft. Davon abgesehen bewegt sich das Buch in einem operativen Umfeld, das nicht den eigentlichen Kern der Rave-Gemeinde trifft, sondern die schicken Glanzlichttänzer, die zugekoksten Edelmünchener, und die interessieren ja nun wirklich niemanden.