Die entführte Prinzessin. Roman.
Karen Duve, Eichborn Berlin, 2005

"Lakonik ist die wirklich hohe Kunst", hat mal jemand zu mir gesagt, dessen Urteil in Bezug auf Literatur ich wirklich schätze. Karen Duves Erstling "Regenroman" war hohe Kunst - ganz großes Tennis, sozusagen. Ein knochentrockenes, herrlich ironisches und eben sehr lakonisches Buch. Etwas so Witziges habe ich von nur sehr wenigen
deutschen Autoren gelesen. Tja, und hier ist ihr neues - ein Märchen.
Ein Märchen?

Irgendwo im hohen Norden liegt ein Königreich mit so krudem Namen, daß selbst die Bewohner es nur "Nordland" nennen. Die meiste Zeit über ist es dort dunkel oder kalt - oder beides. Die Gegend ist ärmlich, das Königsschloß eine bessere Holzhütte, die Pferde sind klein, häßlich und Fleischfresser, kaum etwas blüht je. Kein Ort, an dem man seinen Jahresurlaub verbringt. Die berühmte Barde Pennegrillo reist auch nur dorthin, um den Rekord der meisten Tourorte pro Saison zu brechen, aber König Rothafur sperrt ihn gleich nach dem umjubelten Auftritt ein, um während des langweiligen Winters etwas Unterhaltung am Hof zu haben, die sonst nur aus den altbekannten Zoten bestand, die Rothafur zu erzählen nie müde wurde. Der Megahit dieses Winters wird die Ode an Prinzessin Lisvana, die einzige Perle im schmucklosen
Nordland. Und als Pennegrillo wieder südlichere Gefilde bereisen kann, macht die Nachricht von der zarten, überaus hübschen, aber leider nur mit spärlicher Mitgift ausgestatteten Prinzessin die Runde. Prinz Diego aus dem sonnigen und sehr reichen Baskarien begibt sich auf den Weg, um die Königstochter zu freien. Doch er hat die
Rechnung ohne den eifersüchtigen Nordland-Ritter Bredur gemacht ...

Drachen, Zauberer, Feen, Ritter und strahlende Schönheiten bevölkern diese Geschichte, aber die Drachen sind eher feige und durchaus anschmiegsam, die Zauberer publicitygeile Trottel, die Ritter zumeist unritterlich, die Schönheiten entweder sehr zickig und bald schon tot. Alle Versatzstücke, die man aus Fantasy und Heldensagen kennt, tauchen irgendwo auf, und auch solche aus anderen Genres. Alles wird ergänzt um sehr liebevolle, durchaus lustige Details, die von der großen Phantasie der Autorin zeugen.

Und dennoch. Die Zutaten stimmen, und zuweilen kommt auch Amüsement auf, aber dann ist es doch wieder sehr konventionell, leider zu sehr. Die Story will nicht richtig überzeugen, trotz vieler irrer Wendungen bleibt es vorhersehbar. Satirische Fantasy stellt kein Neuland dar, und neben dem Vergleich mit sich selbst muß sich Karen Duve auch dem mit Terry Pratchett und anderen stellen, die das Genre und viele seiner Elemente treffender und weitaus komischer variiert haben.
Bleibt ein solide erzählter, manchmal lakonischer, oft - aber insgesamt gesehen zu selten - komischer Roman über Helden, die keine sind, und Konventionen, die nicht wirklich durchbrochen werden. Der Spaß rettet sich durch viele Anspielungen und Querverweise - gerade noch so. Der Genrewechsel mag ein Vergnügen für Karen Duve gewesen sein, für den Leser ist er das nicht immer.

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