Die Praktikantin. Roman.
Yannik Mahr, Aufbau Taschenbuch Verlag 2009
Liebens- und lesenswert
Alles ist gut: Johann Walder ist glücklich verlobt, frischgebackener Besitzer einer Eigentumswohnung in München-Schwabing und heißer Anwärter auf den Chefredakteursposten der großen Tageszeitung "Metro-News". Auf das entsprechende Angebot hofft er, als er ins Büro des Verlagsbesitzers gerufen wird. Und er soll auch tatsächlich Chefredakteur werden, aber nicht in München, sondern in der 70.000-Seelen-Gemeinde Wützen. Die Schickimicki-Verlobte hat wenig Verständnis und verlässt den "Verlierer". Walder packt seine Siebensachen und tuckert mit dem Bummelzug in die Provinz.
Die Redaktion ist eine muffige Alte-Männer-WG, die aber von der einzigen Frau, einer androgynen Fotografin, beherrscht wird, die gleichzeitig Betriebsrätin und selbsternannte Gleichstellungsbeauftragte ist. Das Blatt dümpelt vor sich hin, hat keine Seitenzahlen, der Sportredakteur veröffentlicht die Fußballergebnisse vom Samstag erst am Mittwoch und der Politikredakteur ist ein Sprachrohr des Bürgermeisters. Es ist offensichtlich, dass Walders Auftrag in Sterbebegleitung besteht. Der aber nimmt den Job ernst. Und außerdem stellt er eine Praktikantin ein - die hübsche, talentierte und höfliche Elisabeth, in die er sich fast umgehend verliebt. Walder schafft es allerdings, seinem Grundsatz "Never fuck the company" treu zu bleiben, obwohl ihm das schwerfällt.
Dann findet Elisabeth ein Neugeborenes vor der Redaktionstür. Schnell wird Säugling "Henri" zum Medienliebling; die gesamte Republik nimmt Anteil am Schicksal des ausgesetzten Babys. Die Zeitung feiert Auflagenrekorde. Bis die Praktikantin eine Spur zur Mutter des Kindes entdeckt …
Dieses knuffige, rasante und sehr liebenswerte Debüt ist weniger eine Mediensatire als ein Buch über die "Generation Praktikum". Während der vergangenen Jahre hat sich was eigentlich als Berufserprobung gedacht war, zu einer essentiellen Ressource in vielen Bereichen, vor allem aber in der Medienbranche gewandelt. Praktikanten sind zu billigen, meistens sogar kostenlosen Arbeitskräften geworden, denen Tätigkeiten abverlangt werden, für die entweder hohe Qualifikationen erforderlich wären, oder die man heutzutage niemandem mehr zumuten darf, der einen Arbeitsvertrag hat. Gleichzeitig sind sie rechtelose und von "echten" Mitarbeitern missachtete Hiwis, die von einem solchen Job zum nächsten taumeln, ohne je erwarten zu können, auch eingestellt zu werden. Es sei denn, der Chef findet die hübsche Hilfskraft attraktiv. Dann kommen die Angebote - aber nicht ohne Gegenleistung.
Yannik Mahr hat dies, eine spannende Innenansicht der Zeitungsbranche und einen amüsanten Liebesroman zu einer äußerst lesbaren und lesenswerten Geschichte verschnürt. Okay, als sich herausstellt, wessen Kind "Henri" ist, fällt der hier eigentlich erwartete Skandal verblüffenderweise aus, aber dann wäre das Buch auch vierzig, fünfzig Seiten länger geworden (was keineswegs geschadet hätte). So schafft man es an einem Abend. Und zwar an keinem schlechten. Ganz im Gegenteil.