Poppy Shakespeare. Roman.
Clare Allan, Blessing 2007


Auf der "Dorothy Fish" der Station im ersten Stockwerk der Psychiatrie-Klinik Albion, sind die "Hänger" (Suizidale) und die Tagespatienten untergebracht. Je höher man im Gebäude kommt, umso gravierender sind die Krankheitsbilder. Deshalb besteht das höchste Interesse der Tagespatienten darin, die "Dorothy Fish" nicht zu verlassen - weder nach draußen, noch nach oben. Die jährliche Begutachtung durch die Anstaltsärzte wird dieserart zu einem wohlgeplanten Schauspiel, man gibt sich Mühe, durchaus noch als wahnsinnig zu erscheinen, aber nicht so sehr, daß man seinen Platz räumen müßte, indem man das Stockwerk wechselt.

N ist einer dieser Tagespatienten, die anderen tragen Namen wie KopfhöhrerClara, MittelklasseMichael und KrückenSue - auf diese Art wird jeder Buchstabe des Alphabets besetzt. Als Poleanna entlassen wird und tags darauf Selbstmord begeht, erscheint Poppy Shakespeare, eine bildschöne und selbstbewußte junge Frau, die nicht so richtig weiß, warum sie hier ist, und im Gegensatz zu allen anderen möglichst schnell wieder raus möchte, kommt alles durcheinander. Gleichzeitig geschehen seltsame Dinge, denn das Albion wird privatisiert, wie das gesamte britische Gesundheitswesen.

Clare Allen läßt ihre Hauptfigur N aus der Ich-Perspektive erzählen, wie sie zur Betreuerin der schillernden, kettenrauchenden Poppy ausgewählt wird und anschließend alles drunter und drüber geht. N spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, meistens durchzogen mit maßlosen Übertreibungen, aber immer achtsam, liebevoll und durchaus intelligent. Der Roman besticht vor allem durch seine exzellente Diktion und das amüsante, aber auch erschreckende Wechselspiel seines Personals, das so wahnsinnig und so normal ist wie jeder von uns. Denn darum geht es in der Hauptsache in diesem sehr ergreifenden, lustigen und auf seltsame Art schmerzhaften Buch.

Das Buch bei Amazon

zurück

Übersicht: Tom Liehr

©Tom Liehr - http://www.tom-liehr.de - Kontakt