Das Papierhaus. Erzählung.
Carlos María Domínguez, Eichborn 2004
Eine dreißigjährige Hispanistik-Dozentin stirbt, weil sie, in einen Gedichtband von Emily Dickinson vertieft, über die Straße läuft und von einem Auto überfahren wird. Wenig später erhält ihr designierter Nachfolger ein Paket aus Südamerika, den mit Mörtel und Zementstaub verklebten Roman Die Schattenlinie von Joseph Conrad, adressiert an die Tote. Der ebenfalls aus Südamerika stammende Dozent macht sich auf die Suche und erfährt die Geschichte Charles Brauers, den die Tote bei einem Kongreß kennengelernt hat: Ein Büchernarr im Sinne des Wortes, ein Mensch, der sein Leben dem Lesen gewidmet hat, der tausende Bücher anhäufte, bis ein dramatischer Zwischenfall sein Archivsystem vernichtete. Offensichtlich in tiefer Verwirrung zog sich Brauer an die unwirtliche Küste zurück, um ein Haus aus seinen Büchern zu bauen ...
Die sehr lesbare und intelligente Erzählung befaßt sich mit der Wirkung von Büchern, vor allem aber mit ihrem physischen Reiz, dem Naturell des Sammlers und des aufopfernden Lesers, jener Menschen, die über alles hoffen, die Wirkung der Literatur in irgendeiner Form konservieren zu können. Die letztlich konsequente Idee, sich zwischen den Büchern einzumauern, dient als Metapher für den Wunsch aller Menschen, die Bücher lieben, physisch wie psychisch, und ein Manifest für diese Liebe suchen. Wissensreiche, interessante Lektüre.