Die dunkle Seite des Mondes. Roman.
Martin Suter, Diogenes 2001


Die dunkle Seite des Mondes

Drogenrausch auf Schweizerisch

Der fünfundvierzigjährige Wirtschaftsanwalt Urs Blank ist erfolgreich, wohlhabend und gerade Partner in der bekannten Kanzlei geworden, die auf Fusionen spezialisiert ist. Er hat, wie ein Geschäftspartner lobend feststellt, einen stark ausgeprägten "Killerinstinkt", erkennt Schwächen der Verhandlungsgegner schnell und weiß, wie man diese ausnutzt.

Aber Blank empfindet ein diffuses Unwohlsein, eine leicht lähmende Unzufriedenheit, bis er nach einer Geschäftsbesprechung einen ausgedehnten Waldspaziergang macht, den ersten seit Jahren. Kurz darauf lernt er die schöne Lucille kennen, ein Hippie-Mädchen, das auf einem Flohmarkt Räucherstäbchen verkauft. Sie stellt Blanks Leben auf den Kopf, und überredet ihn, gemeinsam mit ihr psychoaktive Pilze auszuprobieren. Die Session wird zur Grenzerfahrung, aber Blank kommt aus ihr nicht mehr heraus: Bald muss er feststellen, dass ihm die Kontrolle abhanden gekommen ist, er empfindet keine Reue mehr, gibt jedem Impuls nach. Fast beiläufig wird er zum mehrfachen Mörder.

Als ihn auch die Wiederholung des Pilzexperiments von der bedenklichen Bewusstseinserweiterung nicht kuriert, wählt Blank die Eremittage - er täuscht seinen eigenen Tod vor und zieht in den Wald, auch, um dort jenen seltenen Pilz zu finden, der möglicherweise die Ursache für den Ausbruch der Bestie war.

"Die dunkle Seite des Mondes" ist durchaus spannend, wenn auch sprachlich nicht sehr anspruchsvoll, aber leider wird die weitere Handlung alsbald vorhersehbar. Angereichert mit vielen Informationen aus Mykologie und Jägerei erzählt der Schweizer Starautor von jener dunklen Seite in uns allen, die von Zivilisation, Moral und Solidargemeinschaft gedeckelt wird. Das gelingt bisweilen auch recht unterhaltsam, aber im letzten Drittel nähert sich das Buch dem einzigen möglichen (und moralisch vertretbaren) Ausgang spiralig an, was ein wenig ermüdet und auf Kosten der angenehmen Rasanz geht, mit der der Roman begonnen hatte. Nicht Suters schlechtestes Buch, aber insgesamt eher was für Zwischendurch: Eine gute Idee, die zum Schluss etwas nachlässig einem nicht ganz glaubwürdigen Ende geopfert wird.

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