Mittsommermord. Roman.
Henning Mankell, dtv2002
Kaum ein skandinavischer Autor hat je solche Erfolge feiern können - Mankell scheint ein Phänomen zu sein, die "Wallander"-Kriminalromane verkaufen sich auch in Deutschland hunderttausendfach. Warum?
Kriminalkommissar Kurt Wallander ist um die fünfzig, etwas übergewichtig, geschieden, verfügt kaum über das, was man Privatleben nennt, geht völlig in der Arbeit auf. Als sein Kollege Svedberg ermordet aufgefunden wird, beginnen die Ermittlungen in einer der kompliziertesten, bestialischsten Mordserien, die Schweden je erlebt hat, jedenfalls in Romanform. Es wird sieben weitere Opfer geben, bis das Team um den spröden, intelligenten, umsichtigen Kommissar den Täter ermittelt hat.
Kriminalliteratur folgt allzu oft dem Opfer-Motiv-Täter-Prinzip, verlegt sich auf vergleichsweise schematische Strukturen, fokussiert sehr stark auf übertrieben originelle Protagonisten, insbesondere auf Seiten der Fahnder. Mankells Ermittler sind geschaffte, überforderte, akribisch arbeitende, normalmenschliche Polizisten, die ihre Tätigkeit überaus ernst nehmen, sich in einem permanenten Diskurs befinden, fast stoisch immer wieder in Besprechungen sitzen, die gleichen Beweise durchforsten, von Anhörung zu Anhörung hasten, kaum schlafen, ihre Gesundheit vernachlässigen - umso mehr, da ein Kollege zu den Opfern gehört. Der Autor türmt kleine Hinweise und Beteiligte auf, webt ein komplexes Netz von Beziehungen, Indizien, führt in die eine oder andere Richtung, während der Leser immer ein kleines bißchen mehr weiß, als die Ermittler. Die Spannung bezieht das Buch dabei hauptsächlich aus der authentisch wirkenden Beobachtung der Handelnden, aus einer Nähe zu den Protagonisten, die weit über das hinaus geht, was die häufig sehr triviale Kriminalliteratur sonst zu bieten hat. Mankell verbindet die Suche nach dem Mörder mit einer sehr feinen Charakterisierung der Beteiligten und ihres Beziehungsgeflechts, einer starken Reflexion der einzelnen Persönlichkeiten, darüberhinaus mit einem gerüttelt Maß an Gesellschafts- und Medienkritik. Die Suche nach dem Täter wird auf diese Art zwar nicht zur Nebensache, tatsächlich aber besteht der Hauptanreiz darin, *wie* der Täter ermittelt wird, und nicht daraus, wer es ist. Das "klassische" Ende, die weitgehend fehlenden äußerlichen Personenbeschreibungen und die im Epilog nachgereichten, teilweise etwas dünn wirkenden Erklärungen tun dem Lesegenuß dabei keinen Abbruch.