Ihr werdet (noch) merken, wie schnell wir sind.
Dave Eggers

Unansehnliches Cover und sperriger Titel: So muß man Bücher vermarkten! Liebe KiWi-Leute, das ist ganz großes Tennis!

Dave Eggers' Roman heißt im Original "You Shall Know Our Velocity". Ich-Erzähler Will und sein Freund Hand, beide Ende zwanzig, treten eine Reise an, bei der sie die Welt in sieben Tagen umrunden wollen. Ganz nebenbei wollen sie knapp vierzigtausend Dollar verschenken, möglichst an Leute, die bedürftig sind.

Beide Vorhaben stellen sich als problematisch heraus. Die Freunde haben keine Ahnung, welche Länder Visa und Impfungen verlangen oder ob aus Dakar überhaupt Flüge nach Moskau gehen, die keine Zwischenlandung in Paris machen, und so dampft sich die Route nach und nach auf wenige Stationen ein. Von Chicago geht es in den Senegal, dann weiter nach Marokko, um schließlich vom Baltikum aus die Heimreise antreten zu müssen - Kairo und Sibirien, Fixpunkte auf dem ursprünglichen Reiseplan, mußte man auslassen. Aber auch sonst läuft nicht alles so, wie sich Will und Hand das vorgestellt haben. Geld zu verschenken ist nicht so leicht, wie man glauben sollte, und die Erwartungen, die die Rucksacktouristen an die fremden Länder hatten, lassen sich nur selten mit den Realitäten in Deckung bringen. Die Odyssee ist mit überraschenden Erkenntnissen durchsetzt, es gibt viele Begegnungen mit Fremden, häufig aufgrund der völligen Fehleinschätzung, die Will und Hand quasi im Gepäck hatten, durchsetzt von Mißverständnissen, aber auch positivem Erleben.

Aber "Ihr werdet (noch) merken" ist kein Reisebuch. Will und Hand haben einen Freund verloren; Jack, so etwas wie eine Führungsfigur des Trios, kam bei einem Autounfall ums Leben, und kurz darauf ist Will schwer verprügelt worden, aufgrund einer Kette von Ereignissen, die Hand ausgelöst hat, ohne jedoch im richtigen Moment zur Stelle zu sein. Will, der seltsame, meistens überaus interessante Dialoge mit sich selbst führt, und von der Schlägerei noch schwer gezeichnet ist, pendelt zwischen wachem Erleben und der traumatischen Reflexion hin und her, und Hand, der sein Herz auf der Zunge trägt, macht ihm das Loslassen auch nicht leichter. Zumal die Atemlosigkeit der Reise und die ständige Neuorientierung schließlich zu einer lähmenden Belastung werden.

Das ist ein seltsames Buch. Liebevoll, amüsant, manchmal extrem rasant und dann wieder vom Verstehenwollen des Erzählers ausgebremst bis fast zum Stehenbleiben. Es geschieht viel, aber dann auch wieder so gut wie nichts, die beiden Hautpfiguren umrunden sich, kabbeln miteinander, aber nichts in der Welt könnte sie auseinander bringen. Ein Buch über Freundschaft und über die Kleinheit der persönlichen Welt, irgendwie ja auch tatsächlich ein Reisebuch, aber in der Hauptsache ein vortrefflicher Roman.

Übrigens: Die Geschichte beginnt auf dem Cover! Der Text, der dort abgedruckt ist, stellt die Einleitung dar, das ist kein grafisches Beiwerk.

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