Macho Man. Roman.
Moritz Netenjakob, KiWi
Koffeeinfreier Kaffee
Der dreiunddreißigjährige Daniel, Sohn intellektueller Achtundsechziger, Kölner, arbeitet in einer Werbeagentur. Er kann Rainer Calmund und Udo Lindenberg imitieren, weshalb die Dialoge mit seinem besten Freund Mark meistens aus derartigem Geblödel bestehen. Daniel ist FC-Fan und wenig erfolgreich bei den Frauen. Seine letzte Freundin hat ihn verlassen, weil er zu sensibel mit ihr umgegangen ist.
Nun besucht dieses Weichei den besten Freund, der als Animateur in einem türkischen All-Inclusive-Club arbeitet. Dort trifft er Aylin, die wunderschöne, türkischstämmige Kölnerin, an der sich bisher Gäste wie Hotelmitarbeiter die Zähne ausgebissen haben. Verblüffenderweise fährt die hinreißende Frau ausgerechnet auf Daniel ab, der sich alsbald im siebten Himmel wiederfindet. Aus der Romanze wird schnell mehr. Aylin kehrt seinetwegen nach Köln zurück, und Daniel wird in jene Parallelgesellschaft eingeführt, die die Türken in Deutschland aufgebaut haben. Insbesondere aber erfährt er, was es heißt, ein "echter" Mann zu sein - cool, lässig, laut und machohaft. Als er eine entsprechende Metamorphose hinter sich gebracht hat, muss Daniel feststellen, dass zwar sämtliche heißen Blondinen mit IQs unter hundert plötzlich auf ihn abfahren, aber die angebetete Aylin nichts mehr von ihm will.
Romane von Comedians oder ihren Gagschreibern erleben derzeit eine ähnliche Konjunktur wie etwa Vampirbücher, in denen heißblütige Jungfrauen beißlustigen, begehrenswerten Untoten begegnen. Hier wie dort gibt es unselige Beispiele. Moritz Netenjakobs Debüt bewegt sich irgendwo zwischen den Extremen.
Das Buch ist sehr lustig, jedenfalls meistens; an einigen Stellen habe ich laut gelacht. Manch ein Motiv wird etwas überstrapaziert, wie der Kölner Barbarossaplatz, und gelegentlich fallen sich wiederholende Elemente wie die Alternativlisten, die Daniel in Entscheidungsmomenten gedanklich abarbeitet, etwas auf die Nerven. Aber Wort- und Situationskomik stimmen ansonsten - was wenig wundert, denn mit derlei sollte sich ein Drehbuchautor, der für "Fun Freitage" oder ähnliches zuständig zeichnet, auskennen.
Dennoch hat mich die sehr geradlinige, durchaus rasante "Türkisch für Anfänger"-Story nicht rundum überzeugt. Die skizzierte Gegenkultur ist eine gemäßigte Variante; Netenjakobs Türken pflegen zwar ihre kulturellen Eigenarten und originellen Verhaltensweisen, sind aber gleichzeitig so offen für westlich-weltliche Genüsse wie fast jeder andere Deutsche auch. Insofern, bezogen auf die Realität, handelt "Macho Man" von jenem koffeinfreien Kaffee, für den der Werbemensch Daniel einen Fernsehspot zu entwickeln hat: Wer das Buch als Abhandlung über die "Migrationssituation" missversteht, glaubt auch, dass Kaffee und Kaffee immer dasselbe sind.
Ein flottes, vergnügliches, sehr stringentes Buch, zuweilen romantisch, fast zärtlich, gelegentlich eine Coming-of-Age-Story, und eine - manchmal etwas anbiedernde - Liebeserklärung besonderer Art. Aber eben kein Buch über Türken in Deutschland. Was es, zugegeben, wohl auch nicht sein soll. Sondern eine sehr persönliche, lustige Liebesgeschichte, die einen Einblick verschafft, aber das Gesamtbild aus gutem Grund meidet.