Dies ist kein Liebeslied. Roman.
Karen Duve, Goldmann (Mai 2004)
Es ist rührend und gleichzeitig unglaublich komisch, wie die achtjährige Anne gemeinsam mit ihrem Schulfreund eine Klinik für jene Frösche betreibt, die von den Rasenmähern der Nachbarn gemetzelt wurden. Mit Schere und Tesafilm werden die lädierten Viecher verarztet, und auch die Tatsache, dass am Morgen danach alle Patienten entweder verstorben oder verschwunden sind, hält die kleine Sanitäterin nicht von ihrem Tatendrang ab. Es gibt noch sehr viele andere Episoden in diesem Buch, die auf ähnliche Art nahegehen, amüsieren, Identifikationspotential bieten. Annes Kindheit und Jugend haben viel von dem, was jeder erlebt hat, was vor allem jene erleben mussten, die nicht zu den Perfekten gehörten, denn Anne ist von je her latent übergewichtig, mag keinen Sport und kann, wenn sie ehrlich ist, auch nach der Pubertät nicht so recht etwas mit Jungs anfangen. Ein Entwicklungsroman also, über eine Underdog-Figur. Davon gibt und gab es viele, und leider ist "Dies ist kein Liebeslied" über weite Strecken nicht sehr viel besser als die anderen. Aber auch nicht schlechter.
Mit achtzehn verliebt sich Anne in einen Klassenkameraden, und mit dreißig, in der Jetztzeit angelangt, die im Wechsel mit den Kindheits- und Jugendepisoden erzählt wird, fährt sie nach London, um dem Angebeteten endlich die Liebe zu gestehen. Sie weiß, dass diese Unternehmung nicht von Erfolg gekrönt sein wird, wiegt Anne doch zu diesem Zeitpunkt über 100 Kilo und passt kaum auf einen Flugzeugsitz, wohingegen das Objekt der Begierde schön und erfolgreich ist. Aber es geht auch darum, die Dämonen der Vergangenheit zu besiegen. Vielleicht jedenfalls. Denn ganz schlüssig ist Duves Buch an dieser Stelle nicht. Ganz im Gegenteil scheint es am Ende zu zerfallen, unfähig, sich für etwas zu entscheiden, wenigstens einen Ausblick zu liefern.
Aber Karen Duve ist Karen Duve, und wenn der Plot auch seine Schwächen und Längen hat, kann "Dies ist kein Liebeslied" meistens gut unterhalten, erzeugt Aha-Effekte, bietet viel Witz, Selbstironie und sprachliche Brillanz. Nicht ihr bestes Buch, aber ein bemerkenswertes Gegenstück zu den vielen Jugenderinnerungsromanen, die von männlichen Autoren auf den Markt geworfen wurden.