Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull.
Roman.
Thomas Mann, Fischer 2000 (TB)
Nur ein paar kurze Worte, denn zu diesem Buch ist sicherlich andernorts
und von weitaus berufenerem Munde schon mehr gesagt worden, als eigentlich
nötig ist.
Titelheld Felix Krull ist ein junger, fast androgyner Schönling von einigem
Talent, der in seiner Kindheit dem schwelge- und verschwenderischen Leben
seiner luxusgewöhnten und leicht lebensfremden Eltern beiwohnen darf, einer
Sippschaft, die leicht zu täuschen ist und sich der verblendeten Oberflächlichkeit
mit Haut und Haar hingibt. Schon früh lernt Felix, seine fast schon chamäleonhaften
schauspielerischen und figurwandlerischen Fähigkeiten zu vervollkommnen,
täuscht perfekt Krankheiten vor, um sich vor der Schule zu drücken und später,
nach dem konsequenten Zusammenbruch des väterlichen Schaumweingutes, epileptische
Anfälle, um der Wehrpflicht zu entgehen - berühmt geworden durch Horst Buchholz'
Darstellung in der ersten Verfilmung der satirischen Biographie.
Das zweite Talent Krulls besteht in seiner hohen Sprach- und Sprechbegabung.
Krull ist ein rechter Schwätzer, aber ein wohlformulierender Schwätzer;
diese Fähigkeit erreicht ihren Klimax am Ende des Romans, der ja nur ein
Fragment darstellt ("Der Memoiren erster Teil"), als Krull der wunderhübschen
Professorentochter Zouzou einen langen Vortrag über das Wesen der Liebe
hält und sie dieserart, neusprachlich ausgedrückt, in die Horizontale quatscht.
Kurz vorher hat er den portugiesischen König so lange vollgefaselt, daß
er sogar einen Orden dafür bekam.
Die "Bekenntnisse" lesen sich leichthin, viel leichter, als etwa der "Zauberberg",
sie sind deutlich vulgärer, satirischer, doppelbödiger, aber ihr fragmentarischer
Charakter nimmt einen Gutteil des Lesespaßes, denn die vorliegenden 400
Seiten von einer unvollendeten Biographie reizen an und machen Lust, erfüllen
sie aber nicht, da an ihrem Ende noch nicht einmal alle dramaturgische Aufbauarbeit
vollbracht ist, worüber die fast schon unfaßbare sprachliche Brillanz auch
nicht hinwegtröstet. Nähme man es genau, erzählten die "Bekenntnisse" die
- bis dahin - eigentlich recht höhepunktearme Lebensgeschichte eines zwanzigjährigen
Industriellensohnes, der gut aussieht und recht eloquent ist, in seiner
Kindheit aber zu faul war, etwas Anständiges zu lernen, weshalb er seine
späte Jugend damit verbringt, die Kunst der Täuschung zu vervollkommnen,
um auf diesem Wege etwas zu erreichen, das ihm sonst verwehrt geblieben
wäre, nämlich die Zugehörigkeit zu einer "höheren" Klasse oder Schicht,
mit deren augenzwinkernden Definition sich ein Gutteil des Romans befaßt.
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