Kolks blonde Bräute. Roman.
Frank Schulz, Haffmans bei Zweitausendeins 2004
Bernhard Lassahn wird das Zitat "Ein Tag ist vierundzwanzig Stunden lang, aber verschieden breit" zugeschrieben. Wenn Bodo "Mufti" Morten bierselig in der Hamburger "Glucke" abhängt und mit dem "Filosophn" Sprüche austauscht, klingt das so: "Ein Tach iß fianzfanzich Schdund lang aba faschiedn breid."
Das Zitat faßt den Inhalt von "Kolks blonde Bräute" vortrefflich zusammen. Ende der Achtziger sind Kolki und Bodo aus dem "Kaff" nach "Hambuich" umgezogen; Kolki arbeitet für die Post, während Frührentner Bodo hauptsächlich säuft. Kolki säuft natürlich auch, sogar während seiner Arbeitszeit, und das ist letztlich der Auslöser für eine Kette von Mißverständnissen, in deren Zentrum eine strapstragende Blondine steht, der Kolki schweinische Postkarten zustellen muß, außerdem "Rudi, der Arsch", ein schmieriger "Jubbi" und die "ßgahd"-Runde aus dem heimatlichen Kaff, will sagen: Neben Kolki und Bodo noch Satschesatsche, Heiner und der "Panzerknacker".
Frank Schulz läßt Bodo Morten dreizehn Jahre danach von diesen Mißverständnissen und ihren Implikationen erzählen, in deren Folge Kolki vermeintlich das Gehör auf dem linken Ohr verloren hat. Ob das stimmt und inwiefern, das spielt letztlich keine große Rolle, denn Schulz beschreibt in der Hauptsache die Kultur des gemeinschaftlichen Saufens, vom "kleinen" bis zum "mittelschweren Lollimann" (Zustände des Besoffenseins), von der Erhabenheit des Kotzens, von Furz-Raps, die sich "Rudi, der Arsch" ausgedacht hat, von der feinen Differenzierung zwischen "Biberismus" und Alkoholismus. Er zeichnet seine abgefuckt-normalen Hauptfiguren mit liebevoller Hingabe, beobachtet mit mikroskopischer Genauigkeit, ohne je pedantisch zu werden; ganz im Gegenteil zu seinen Protagonisten setzt Schulz wohldosiert ein, was in der Übertreibung zur Satire würde - eine Satire ist "Kolks blonde Bräute" nämlich mitnichten. Sondern ein liebevolles Lesebuch über Freundschaft, das Erwachsenwerden und, natürlich, das Saufen in all seinen Facetten, mit all seinen Folgen, hauptsächlich aber seinen Reizen. Zu kritisieren gibt es nichts, wiewohl die zumindest teilweise Läuterung nicht zuletzt aus gesundheitlichen und oder sozialen Gründen am Ende des viel zu kurzen Buches steht.
"Lokalkolorit" in all seinen Bedeutungen ist das Oberthema, und Schulz erzeugt dies insbesondere dadurch, daß er seine Figuren lautsprachlich wiedergibt, was den Leser gelegentlich dazu zwingt, sich Sätze selbst laut vorzulesen, um dem Sinn wenigstens nahe zu kommen. Wenn sich ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt hat, erkennt man schließlich beim ersten Hinsehen, welche Speise sich z.B. hinter "Tschiggknmägnaggedß" verbirgt.
Läßt man sich darauf ein (und die Zielgruppe ist eingeschränkt), ist "Kolks blonde Bräute" ein wunderbares, extrem spaßiges Buch, eine gute Vorbereitung für "Morbus fonticulli", die kongeniale Fortsetzung, und man versteht, warum Harry Rowohlt über Schulz sagt: "Sowieso mein Lieblingsautor."