Karte und Gebiet. Roman.
Michel Houellebecq, Dumont 2011
400 leere Seiten wären unterhaltsamer. Und kunstvoller.
Der neue und vom Feuilleton auf bemerkenswerte Weise einhellig gefeierte Roman "Karte und Gebiet" des französischen "enfant terrible" der Literatur erzählt zwei Lebensgeschichten, nämlich die des darstellenden Künstlers Jed Martin - und die des Autors Michel Houellebecq. Zunächst aber geht es nur um Martin; der Schriftsteller (dessen namentliche Erwähnung fortwährend durch Formulierungen wie "Autor von Elementarteilchen" oder "Autor von Erweiterung der Kampfzone" usw. ersetzt wird) wird anfangs nur ein paar Male erwähnt, weil er gebeten werden soll, den Begleittext zu einer Ausstellung des Künstlers zu schreiben.
Martin, Sohn eines erfolgreichen Architekten, der vom ambitionierten Gestalter zum Massenware abliefernden Workaholic wurde, reüssiert zunächst mit verfremdeten Fotos von Landkarten aus dem Programm des "Michelin"-Verlags. Er lernt die reizende Weißrussin Olga kennen, die zu dieser Zeit für Michelin arbeitet, hat mit der Frau eine Affäre, reist ihr aber, obwohl er sie liebt, nicht nach, als sie in ihre Heimat zurückkehrt. Es folgt eine Schaffenspause, schließlich widmet sich Martin der Malerei und fertigt Bilder von Menschen an, die ihrer Arbeit nachgehen. Dies geschieht praktisch in der Eremittage mitten in Paris; Jed Martin zieht sich weitgehend zurück, während er jahrelang malt. Als der Galerist vorschlägt, zum Ausstellungsprogramm einen Begleittext des berühmten Schriftstellers anzufragen, fährt Martin nach Irland, um den dort zurückgezogen lebenden, äußerst seltsamen Houellebecq zu treffen. Es entwickelt sich eine merkwürdige, distanzierte Freunschaft; Martin malt den Schriftsteller schließlich noch für die Ausstellung. Es wird sein bestes Bild, doch er schenkt es dem Autor. Die anderen Gemälde werden innerhalb kurzer Zeit für hohe Preise von Sammlern gekauft. Praktisch von jetzt auf gleich ist Martin reich.
Das letzte Drittel des Romans erzählt vom bestialischen Mord an Houellebecq - und vom Versuch eines Polizisten, diesen Mord aufzuklären. Hier entsteht dann auch irgendwann wieder die Verbindung zu Jed Martin. Die Antwort auf die Frage "Wozu das ganze?" bleibt der Autor allerdings schuldig.
"Karte und Gebiet" verzichtet im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf plakative Provokation, bleibt sprachlich auf erschütternd niedrigem Niveau, zuweilen reicht Houellebecq bedeutungsarme, berichthafte Erklärungen, die auch von Wikipedia-Redakteuren stammen könnten. Der Kontext des Romans ist überschaubar, es geht um Kunst, ihre Nachhaltigkeit und ihre Vermarktung, um die Vereinnahmung der Künstler, um vermeintliche Unsterblichkeit und die Macht des Geldes. Auf der Strecke bleibt der Leser, der mit einem ermüdenden und belanglosen Werk konfrontiert wird, dessen stilistische Nüchternheit von der aufgesetzten Selbstironie nicht kompensiert wird. Verwunderlich nur, dass der weichgespülte Houellebecq das Feuilleton so begeistert, das vermutlich reflexartig auf das Thema anspringt und - endlich - einen Roman feiern kann, ohne Gefahr zu laufen, durch dessen - hier fehlenden - provokanten Kontext auf allzu dünnes Eis geführt zu werden.
Mich hat dieses Buch ausschließlich gelangweilt. Salopp gesagt: Ich fand's doof.