Juliet, Naked. Roman.
Nick Hornby, KiWi 2009
Mitleiderregend
Duncan und Annie sind seit fünfzehn Jahren ein Paar, aber die große Liebe oder Leidenschaft gab es nie. Im tristen englischen Badeort Gooleness, der als Metapher für die Trägheit der Beziehung steht, geschieht auch sonst nichts Bemerkenswertes. Annie plant als Kuratorin des Heimatmuseums eine Ausstellung über das Jahr 1964, in dem die Rolling Stones auftraten und ein sechs Meter langer Hai an Land gespült wurde. Doch nicht einmal die Nostalgie will so recht funktionieren.
Der etwas merkbefreite und ein bisschen zu dicke Duncan hat ein Hobby: Er ist Crowologe. Dieser Begriff versammelt die restlichen Fans eines amerikanischen Singer-Songwriters, der im Jahr 1986 auf mysteriöse Art seine Karriere beendete, quasi auf dem Gipfel seines Schaffens, und der seitdem von der Bildfläche verschwunden ist: Tucker Crowe. Im Internet mutmaßen die Crowologen über den Verbleib des Musikers, analysieren auch Jahrzehnte später noch die Songtexte und tauschen miese Bootlegs der Konzerte oder geheimnisvolle Fotos von Crowe-Lookalikes aus. Kern der Angelegenheit ist das letzte und erfolgreichste Album Crowes mit dem Titel "Juliet", das er nach der Trennung von einem Topmodel namens Julie schrieb. Und jetzt, 25 Jahre danach, wirft die Plattenfirma neues Material auf den Markt: "Juliet, Naked", ein Album mit den aufpolierten Demos zu "Juliet". Wie es der Zufall will, hört Annie das Duncan zugedachte Rezensionsexemplar vor ihm, was die zerrüttete Beziehung auf eine harte Probe stellt. Sie zerbricht, als Annie der begeisterten Besprechung ihres Partners einen Verriss des Albums folgen lässt - und ausgerechnet ihre Sicht findet großen Zuspruch. Sogar weit mehr, als Duncan und alle versammelten Crowologen ahnen: Tucker Crowe selbst reagiert und schreibt Annie private Mails. Der ehemalige Star lebt, fast pleite, irgendwo in Amerika auf dem Land, bewältigt gerade das Scheitern der x-ten Beziehung und hat kaum Kontakt mit seinen vielen Kindern. Annie muss die Sensation geheimhalten; nach und nach verliebt sie sich allerdings in den alternden Musiker. Der dann auch noch einen Trip nach London ankündigt und Annie um ein Date bittet ...
Es kommt, wie es kommen muss. Die fade, lineare und erbärmlich schlecht geschriebene Aschenputtel-Story mäandert auf ein Ende zu, das so vorhersehbar ist wie die jährliche Stones-Abschiedstournee. Aber nicht einmal der Weg dorthin macht Spaß, ganz im Gegenteil: Belangloses Geschwätz und sinnfreie Selbstbetrachtungen - etwa Annies "Sexplan" oder ihre wenig nachvollziehbaren Gedanken über die mathematische Berechnung des zeitlichen Verlusts, der am Ende einer fruchtlosen Beziehung steht - füllen Seite um Seite, und das in einer Sprache, die jede Originalität und Kunstfertigkeit vermissen lässt.
Sehr vorsichtig gesagt.Der arme Nick Hornby. Da hat er zwei wirklich bemerkenswerte Romane geschrieben und danach den Punkt verpasst, an dem er besser aufgehört hätte. Schlimmer noch, denn eigentlich karikiert er sich mit Büchern wie "Juliet, Naked" selbst, dessen Figuren - wie offenbar auch Hornby - in einer Zeit gefangen scheinen, die längst vorbei ist. Mag ja sein, dass die Popmusik früher ehrlicher, bodenständiger, besser und vielleicht auch bedeutsamer war, aber zum zehnten Mal muss man sich das nicht anhören, und durch die fortwährende Wiederholung wird es auch nicht glaubhafter, sondern nervtötend, wie das Gelaber eines Ewiggestrigen, der ständig vor sich hingrummelt, dass früher alles besser war. War es nämlich nicht.
Ein schlimmes, langweiliges Buch, angefüllt mit empathiefreiem Blabla und wirklich schrundigen, quälenden Selbstbetrachtungen schablonenhafter Figuren, von denen wirklich keine mehr als ein Abziehbild ist. Halbwegs originell und ansatzweise gelungen ist bestenfalls der Blick auf die Fan-Kultur, aber auch das geschieht so pofig und ironiearm, dass es nicht geeignet ist, dieses gründlich misslungene Machwerk zu retten. Im Gegensatz zu den häufig zitierten Rolling Stones bietet der früh vergreiste, in den Siebzigern und Achtzigern gefangene Hornby kein Amüsement und nicht einmal Originalität, sondern mediokre Larmoyanz gepaart mit blässlichen Selbstzitaten. Mitleiderregend.