Illuminatus 01. Das Auge in der Pyramide.
Roman
Robert Shea, Robert Anton Wilson, Rowohlt 1997

 

Verschwörungstheorien anzuhängen, das hat auch immer etwas mit Wahn zu tun - Verfolgungswahn, Wahn*sinn* gar. Folgerichtig liest sich dieser "Klassiker" der neuzeitlichen Verschwörungsliteratur, als wäre er im Wahn entstanden. Perspektiven und Zeiten wechseln, als befänden sie sich in einem Swinger-Club, Fragmente und Handlungsfetzen sind wild miteinander vermischt, Figuren permutieren, und auf jeder Seite werden Dutzende von Namen, Quellen und Querverweisen genannt, so daß der weniger konzentrierte Leser kaum eine Chance hat, halb-, viertelwegs zu folgen. Das alles hat natürlich System, glaubt man. Ob es tatsächlich so ist - wer weiß?

Die Handlung, sofern von einer gesprochen werden kann, nunwohl ... pendelt. Da ist die Geschichte der Illuminaten, jener hochmächtigen Clique, die schon seit Atlantis die eigentlichen Weltbeherrscher sind, und dann die der Gegner, der Diskordier (von
den zig Unter-, Splitter- oder Scheingruppen nicht zu reden). Es gibt einen Bombenanschlag, ermittelnde Polizisten, recherchierende Journalisten, Gangsterbosse, falsche Präsidenten, Drogen, Sex, was weiß ich: Zahlen- und Wortspiele, natürlich um die magischen 5 und 23, um den Buchstaben W (der 23. im Alphabet), Pentagramme, solches Zeug. Beweise und Gegenbeweise, Hypothesen und Theorien, die sich allesamt im Nichts auflösen, oder das genaue Gegenteil, aber sicher kann man da nicht sein. Metaphysik und Magie reichen sich die Hand, Drogenrausch und Quellenstudium dienen dem selben Zweck, häufig sogar in Tateinheit.

Im Jahr 2002 liest sich diese beatnik-mäßige und saumäßig verfaßte Ansammlung etwas anachronistisch, und es ist kaum mehr nachzuvollziehen, daß es seinerzeit eine große Anhängerschar gegeben hat, sogar immer noch gibt. Insbesondere die längeren, durchaus zusammenhängenden Handlungsstücke offenbaren eine fast lächerliche Naivität, und die unsubtile Botschaft "Glaube nichts!" wird hier so dick unterstrichen, daß das ganze Buch in sich zusammenfällt. Andererseits ...

Nunwohl. Keine leichte Lektüre, und nur streckenweise wirklich unterhaltsam, gelegentlich saukomisch, manchmal überaus intelligent, meistens aber chaotisch, ungenießbar, überzogen, verkrampft sich Regeln verweigernd. Jedenfalls kein Buch, das dazu angetan ist, Überzeugungen zu untermienieren. Allerdings sind in den ruhigeren Passagen einige Bemerkungen enthalten, die durchaus einen zweiten Gedanken wert sind.
Expandiert das Universum *wirklich* oder werden wir nur kleiner?



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