Hundewiese.
Roman
Arthur Neresesian, MTV/vgs2001

 

Ein MTV-Buch. Huch! MTV und Bücher? Hat da jemand ein schlechtes Gewissen?

Mary Bellanova ist Ende zwanzig, lebt im New Yorker East Village, jobbt, schreibt, wird von Kerlen enttäuscht, tingelt mit der männermordenden Busenfreundin Zoë von Bar zu Bar. Ihr derzeitiger Freund, Primitivo Schultz, hat sich nach anfänglicher Euphorie als Langweiler erwiesen, aber es ist immer noch besser, einen Langweiler zu Hause zu haben, als sich auf das Abenteuer einzulassen, einen vermeintlich netten Typen abzuschleppen, der sich im Bett als manischer Schläger und/oder neurotischer Perverser erweist - Standard im New York der ausgehenden Neunziger.

Aber Primo stirbt - sitzt eines Tages, wie eigentlich fast immer, apathisch vor dem Fernseher, reagiert so ganz und gar nicht, nicht einmal auf die lieblos zusammengemanschte Pasta. Primo ist hinüber. Mary sitzt alleine da, mit dem hinterlassenen Hund Numb, und fügt sich den schicksalhaften Tatsachen. Nach und nach zeigt sich allerdings, daß Primo keineswegs der Langweiler war, für den sie ihn gehalten hat. Fasziniert und angewidert dringt Mary in die Vergangenheit des toten Ex ein, in ein kurioses Leben als Lebenskünstler, Pornoautor, Maler, Musiker, Bestefreundinnenvernascher, Vater, Performer und Hundebesitzer.
Die Hundewiese des nahegelegenen Parks wird zum Dreh- und Angelpunkt für eine sehr obskure Form von Vergangenheits- und Gegenwartsbewältigung, ist Plattform für Marys dann doch beginnende Schriftstellerkarriere, sich offenbarende ungeliebte Wahrheiten und die Bekanntschaft mit einem Kerl, bei dem sich das Risiko dann vielleicht doch noch lohnt.

Über vier Fünftel des sehr flotten, eloquenten und authentischen Romans hinweg führt Neresesian in die Welt der orientierungsarmen und medienüberfluteten Endzwanziger im Moloch New York, dessen kulturelle Potenz mehr Schein, als Sein ist. Das Buch hat in diesem Teil viel Witz, Gefühl und Nähe - und einiges an Überraschungen parat. Die Dialoge sind sehr fein und ausgewogen, Sprache und Diktion unaufgesetzt und stringent. Aber leider erliegt der Autor am Ende der Versuchung, die nicht auf eine Auflösung hin - möglicherweise unsauber - geplotteten Handlungsfäden zu einem Abschluß bringen zu wollen, der vieles von der zuvor aufgebauten Intensität und Authentizität zerstört. Es macht den Eindruck, als hätte er die Lust verloren oder die letzten vierzig Seiten lange nach dem orangegangenen Teil verfaßt, jedenfalls fällt das Buch, das über weite Strecken äußerst lesbar und unterhaltsam ist, am Ende schlicht hinten 'runter.


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