Halbnackte Bauarbeiter. Roman.
Martina Brandl, Scherz 2006



Martina Brandl ist eine komische Frau. Wer sie beim "Sonntagsbrandl" im Berliner Kookaburra-Club oder einem ihrer sonstigen Liveauftritte erlebt hat, weiß das. Sie ist selbstironisch, sprachbegabt, musikalisch, spitzfindig, charmant und außerordentlich talentiert. Zu den Programmen gehören auch immer kurze, eigene Texte. Im Rahmen einer solchen Veranstaltung funktionieren die auch gut.

Hier leider nicht.

"Halbnackte Bauarbeiter" erzählt von der Layouterin Ute, 38, die mit einer etwas nervigen Frau eine Art WG betreibt. Ute sieht ganz gut aus, hat aber - wie die meisten Frauen dieses Alters? - Cellulitis und ein etwas ausladendes Gesäß. Auf dem Weg zum Dönerstand begegnet sie einem Johnny-Depp-Double, das sie energisch anmacht und ambulanten Sex anbietet, und obwohl der schöne Mann Utes Idealen entspricht, entzieht sie sich. Fortan ärgert sie sich über diese Entscheidung, flüchtet sich in eine fade Beziehung mit dem lahmen, aber herzigen, viel zu jungen Koch Michael, und sucht parallel nach dem mysteriösen Dönermann. Zwischendrin erlebt sie dies und das, aber leider nichts Bemerkenswertes. Und auch die Wiederbegegnung mit Johnny Depp versandet eher. Wie das meiste in diesem Roman. Vor allem, leider, die Figurenzeichnung.

Susanne Fröhlich trifft Sven Regener, und das schlechteste beider Welten findet sich in diesem Buch. Anfangs gibt es einige lesenswertende Selbstbetrachtungen, aber dieses "So sehen sich Frauen also selbst, wenn sie zu Ironie in der Lage sind" hat es schon oft gegeben, zu oft, und meistens in besserer Form. Die Handlungsstränge sind eher Fetzen, zwischendrin, etwa bei der Betrachtung eines Schokoladenhasen, hat man das starke Gefühl, Teile aus Texten zu lesen, die zu anderen Anlässen verfaßt wurden, und gegen Ende des zweiten Teils wird es verstörend larmoyant und ziemlich langweilig.
In den Danksagungen schreibt Brandl, daß sie sich Schriftsteller als barttragende Eremiten vorgestellt hat, die im Kämmerlein hocken und der Welt entsagen. Sie schließt mit den Worten, "am Bart noch zu arbeiten", aber das stimmt nicht, denn "Halbnackte Bauarbeiter" hat einen. Sogar einen ziemlich langen. Alles schon dagewesen, und dieses Buch ist leider nicht originell genug, um die Vorgänger auszustechen.
Ganz im Gegenteil.

Aber das Cover ist schön.

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