Ein herzzereißendes Werk von umwerfender Genialität. Roman.
Dave Eggers, Kiepenheuer & Witsch 2005


Vor ein paar Jahren tauchten beim amerikanischen Amazon aufgrund eines Softwarefehlers bei solchen Rezensionen, die eigentlich anonym eingestellt worden waren, die Namen der Rezensenten auf. Erstaunt stellte die Literaturgemeinde fest, daß es viele namhafte Autoren gab, die ihre eigenen Bücher euphorisch besprachen - und diejenigen vermeintlicher Konkurrenten abstraften. Zu den Schriftstellern, die dieserart ertappt wurden, gehörte Dave Eggers.

Daß der Mann das Wort "Understatement" nicht erfunden hat, ahnt man, wenn man den Titel dieses Buches zur Kenntnis genommen hat. Mehr noch: Auf über 230 (!) Seiten Vorbemerkungen und Anhang erklärt der Autor dieser "wahren Geschichte", was man wissen muß, um sein Buch, die Entstehungsgeschichte und alle Hintergründe zu verstehen, und auch Dutzende Seiten mit "Outtakes" gehören dazu. Das ist originell und zuweilen auch ganz amüsant, mit der eigentlichen Sache hat es allerdings wenig zu tun.

Und das ist folgende: Der zweiundzwanzigjährige Dave und sein acht Jahre alter Bruder Toph verlieren kurz nacheinander beide Elternteile - Krebs. Dave und Toph ziehen von Chicago nach San Francisco, aus dem selbst noch postadoleszenten großen Bruder wird ein alleinerziehender Ersatzvater. Von den Schwierigkeiten, einen Bruder zu erziehen, wenn man selbst noch nicht so recht weiß, worum es im Leben geht, erzählt der Roman. Und davon, wie das mit den Frauen so ist, mit den Freunden, mit dem Coolsein, mit dem Leben in San Francisco und all diesen Sachen. Im weitschweifigen Vorwort heißt es, daß man ab Kapitel vier (ca. Seite 130) eigentlich nicht weiterlesen muß, und das hat in gewisser Hinsicht seine Richtigkeit.

Schön an diesem Buch ist, daß so vieles nachvollziehbar ist. So schreibt Eggers seitenlang davon, welche Ängste ihn plagen, wenn er seinen Bruder alleine läßt, überhaupt sind Gedankenspiele dieser Art fast bestimmend im zweiten Teil. Aber das ganze ist unglaublich geschwätzig, ironiefrei und schließlich auch sehr langweilig. Toph, die eigentliche Hauptfigur des Romans, tritt mehr und mehr in den Hintergrund, während die Selbstbeweihräucherung des Ich-Erzählers Dave überhand nimmt. Dabei gehen die schönen, melancholischen und auch sehr schlauen Momente des Buches unter, dessen lesbaren Teil man tatsächlich hinter sich hat, wenn man auf Seite 130 angekommen ist.

Herzzerreißend oder genial ist nichts an diesem Roman. Er ist sehr phantasievoll, manchmal anrührend, häufig pfiffig und zuweilen ironisch. Aber leider ist er auch handlungsarm, schmerzhaft larmoyant und gnadenlos selbstverliebt.

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