G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke.
Matt Ruff, dtv 2000 (TB)



Der Klappentext bezeichnet das Buch als "fulminanten Comic- Fantasy-Science-Fiction-Thriller". Matt Ruff, dessen Erstling "Fool on the hill" eher leisere Töne anschlug, hat über diesen Roman einen gewissen Status erreicht, den des Kult-Autors. Rasch werden Vergleiche herangezogen, und da sind natürlich auch die Namen "Adams" und "Pratchett" dabei. Doch die Vergleiche sind falsch, und der Klappentext auch.

Das Buch mit dem leicht verwirrenden und sicherlich den einen oder anderen Zufallsbuchkäufer eher abschreckenden Titel ist ein Science-Fiction-Roman, ohne Wenn und Aber. Die Fantasy- Elemente halten sich in Grenzen, und ein Thriller ist auch bei toleranter Genrebetrachtung zwischen Seite eins und 624 nirgendwo zu finden. Stattdessen eine überbordende, gelegentlich etwas überfordernde Phantasie, bis schon fast zur Sättigung gelöst in enormen Kenntnissen ökonomischer Zusammenhänge und der Philosophie (!), ausgezeichnet formuliert u.a. in brillanten Dialogen.

Figuren über Figuren sammeln sich in dieser sehr heftigen Utopie über das New York im Jahre 2023, in dem allerlei Ungetier die Abwasserkanäle bewohnt, ein smarter, überaus philantroper Geschäftsmann die Unternehmenswelt beherrscht (und Amerika mit immer noch höheren Bauten pflastert), Farbige ausgerottet sind (dafür gibt's "Elektro-Neger") und anarchistische Umweltschützer in U-Booten durch die Weltmeere schippern, um Walfänger mit Sahnetorten zu bombardieren. Im Nachgang einer "Pandemie", die weitgehend alle schwarzfarbigen Menschen dahingerafft hat, beginnt der Aufstieg von Harry Gant, dem Unprototyp-Unternehmer, ganz auf "klasse Ideen" fixiert, wenig daran interessiert, *tatsächlich* Geld zu machen (höchstens, um damit den "New Babel" zu finanzieren, einen Anderthalbmeilen-Turm auf Manhattan Island). Gant beschäftigt eine eigene Abteilung, die damit befaßt ist, umweltschutzbedingte Proteste gegen seine Geschäfte zu organisieren, und Gant baut Androiden, besagte Elektro-Neger, Produkt Nr. 1 im einundzwanzigsten Jahrhundert Ruffs.

Die Handlung befaßt sich weitestgehend mit dem Entschlüsseln eines Geheimnisses, das sich anfangs als marginal darstellt, dem Tod eines Widersachers von Harry Gant. Mehrere Dutzend Pro- und Antagonisten wirft Ruff dafür ins Rennen, schillernde und eloquente Gestalten, bis hin zum schwätzigen Hologramm der (authentischen) Objektivismus-Verfechterin Ayn Rand, aber auch "Größen" wie Dan Rather, Ted Turner, J. Edgar Hoover und einige andere mehr geben sich die Klinke in die Hand. Vom Monsterhai "Meisterbrau" nicht zu reden. Der Schluß ist schlüssig, aber nicht originell, doch die Zeit bis dahin ist mit einem sehr vergnüglichen, intelligenten und faszinierenden Stoff gefüllt. Und das weitaus dichter, als vieles dieser Art. Lesen.

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