Furcht und Schrecken im Frisörsalon. Roman.
Douglas Lindsay, Goldmann 2000


Seit Tom Sharpe mit seinem berühmten, verfilmten Henry Wilt ("Puppenmord", "Trabbel für Henry" und ff.) den Archetypen des urbritischen, apathischen, mediokren und unfreiwillig von einer Katastrophe in die andere stolperenden Antihelden geschaffen hat, versuchten sich einige Autoren in der Nachahmung. Lindsays Barney Thompson fällt ebenfalls in diese Kategorie.
Seit fast zwanzig Jahren arbeitet er im trüben, regnerischen Glasgow als Friseur, seine Kollegen Wulli und Chris besetzen die besseren Stühle in Richtung Schaufenster, die wartenden Kunden schütteln betreten die Köpfe, wenn Barney darum bittet, auf seinem Stuhl Platz zu nehmen: Barney beherrscht die Fähigkeit nicht, sich in belanglosem Smalltalk zu ergehen, Barney interessiert sich nicht für Fußball, Barney frisiert scheußlich. Wenn er abends nach Hause kommt, wird es auch nicht besser: Seine Frau Agnes hangelt sich von einer Soap Opera zur nächsten, interessiert sich dafür, warum Cally Stephen verläßt, welche Intrige Sophie
spinnt, wer die Hochzeit von Peppermint und Pierce platzen läßt - aber kaum für ihren lahmes Muttersöhnchen von Ehemann. Wenn Barney Schwierigkeiten hat, geht er zu seiner achtzigjährigen Mama, die erstaunlicherweise enerigschen Beifall spendet, als er davon zu spinnen beginnt, seine Kollegen zu ermorden. Gleichzeitig treibt ein Serienmörder sein blutiges Spiel. Menschen verschwinden, Teile ihrer Leichen treffen in Postpaketen bei den Hinterbliebenen ein. Ein unmotivierter Inspektor ist mit der Suche nach dem Mörder befaßt; als Wulli und Chris innerhalb von zwei Tagen ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt sind, fällt der Verdacht auf Barney. Und der hat noch ganz andere Sorgen: Seine Mutter ist verstorben, Barney findet in der gigantischen Kühltruhe eine unerwartete Hinterlassenschaft ...

Den wilden Anarchismus der ersten "Henry Wilt"-Romane oder aus Sharpes Opus Magnum "Tohuwabohu" wird man bei Lindsay vergeblich suchen. Die mittelmäßigen und gelangweilten, zu langweiligen Figuren erwachen auch nach der haarsträubendsten Katastrophe nicht zum Leben; die Handlung ist zwar eine Tour de Force, aber eine, die vorhersehbar bleibt und deren Konsequenzen nicht erschüttern, weder im dramaturgischen Sinne, noch das Zwerchfell. Barney Thompson hat nicht den Witz und den Widerstandsgeist von Henry Wilt, bleibt lapidar, ein willfähriger Spielball der chaotischen Unglücke und Verstrickungen, bei dem es - leider - völlig unerheblich bleibt, ob er siegt oder verliert.

Und trotzdem habe ich mir die Fortsetzung "Waschen, schneiden, umlegen" gekauft ...

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