Fünfunddreißig. Erzählung.
Rolf Dobelli, Diogenes 2004


"Nein, nichts an Gehrer taugt für einen Roman."

Gehrer ist soeben in die Schweiz zurückgekehrt, aus Harvard, wie seine Frau und die Angestellten in seiner Firma glauben, aber tatsächlich hat er den Diplomkurs an der Harvard Business School nach drei Tagen abgebrochen und ist danach durch Indien getingelt. Und jetzt sitzt er am Zürcher See, starrt auf das Wasser und denkt nach.

Es ist sein fünfunddreißigster Geburtstag. Jeanette, die hübsche, pragmatische, manchmal verträumte Ehefrau erwartet ihn. Ebenso die Angestellten der Firma, in deren Management er sitzt, deren CEO er vielleicht bald sein wird. Gehrer ist 35. Die Hälfte des Lebens ist vorbei, und diese erschreckende Erkenntnis steckt dem erfolgreichen
Nichtmehrganzjungmanager tief in den Knochen.

Dobelli liefert in seinem Debüt eine Momentaufnahme, und gleichzeitig einen Rundumschlag, der mit den vermeintlichen Werten unseres Daseins abrechnet, mit unseren Lebenszielen, den Sozialstrukturen, mit Erwartungen und Träumen. Die Bilanz ist ernüchternd, aber keineswegs nüchtern - Dobellis Sprachgebrauch lenkt davon ab, daß die Erzählung sehr statisch ist und eigentlich nur aneinandergereihte Weisheiten enthält, die mal allgemeingültig sind, und sich manchmal nur auf jenen Menschenschlag beziehen, um den es vordergründig geht - die durch's Leben hastenden Managertypen, die kaschieren müssen, daß ihre tatsächliche Bedeutung mit der vorgetäuschten kaum übereinstimmt, die die teuren Szenebars und die "Business Class" bevölkern, Visitenkarten sammeln und "Freunde" nur noch mit Hilfe von Datenbanksystemen verwalten können.

Die nur 200 Seiten lange "Geschichte" liest sich flott und macht Spaß, obwohl es einige Wiederholungen und Längen gibt. Sie dient als Ouvertüre für "Und was machen Sie beruflich?", den Roman Dobellis - "Fünfunddreißig" ist nämlich *keiner* -, der kürzlich erschienen ist und das Schicksal Gehrers nach diesem entscheidenden Tag schildert.
"Fünfunddreißig" bietet eine interessante, amüsante Lektüre, und viele Aha-Effekt-Sätze wie diesen hier: "Natürlich gibt es auch schöne Stunden, sagen ihm seine ehemaligen Freunde, die Väter geworden sind."

Autorensite: www.dobelli.com

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