Ein Freund der Erde
. Roman.
T. C. Boyle, Hanser 2001, (HC)



Nach der sehr bemühten biographischen Erzählung "Riven Rock" kommt die Geschichte um den "Öko-Terroristen" Tyrone Tierwater leichter und boyle-mäßiger daher, mit enorm viel Sprachwitz, Lakonie und Ironie, einfallsreich und sehr, sehr dicht, wenn auch nicht mit dem hohen Grad an Nähe, den Boyles Meisterwerk "Wassermusik" aufweist.

Das Thema ist ernst, überaus ernst: Im Jahr 2025 hat der Treibhauseffekt natürlich - wie zu erwarten war und ist - zu einer globalen Erwärmung geführt. Wo mehr erwärmt wird, verdunstet natürlich auch mehr: Es gibt endzeitmäßige Regenstürme en masse, im San Fernando Valley wird Reis angebaut, während um Oslo herum (gerüchteweise) Weintrauben wachsen. Die Weltbevölkerung ist auf 11 Milliarden Menschen angewachsen, was hauptsächlich der Tatsache zu verdanken ist, daß die Lebenserwartung rapide angestiegen ist, die Ersatzteilchirurgie macht's möglich.

Tyrone Tierwater gehört mit seinen 75 Jahren zu den sogenannten "Jungalten", dem weitaus größten Anteil der amerikanischen Bevölkerung, die von Welsfleisch und halbkünstlicher Sake lebt, alle anderen Tier- und Pflanzensorten sind weitgehend von der Erdoberfläche verschwunden. Tierwater verdingt sich als Tierpfleger für den millionenschweren Popstar Pulchrist, der es sich irgendwie (aber nicht mit ganzem Herzen) zur Aufgabe gemacht hat, ein paar Exemplare der letzten Tierarten zu retten, und insbesondere diejenigen, die eigentlich niemand mag: Hyänen, Warzenschweine und räudige Löwen. Boyle erzählt von der 35 Jahre zurückliegenden Vergangenheit Tierwaters, aus der Zeit, in der er seine Frau Andrea kennenlernte, die ihn von der Notwendigkeit überzeugte, für die Rettung der Erde auch drastische Protestmaßnahmen durchzuführen, aus der Zeit, in der Tierwaters Tochter Sierra zur Ikone der Naturschutzbewegung wurde (und schließlich starb), aus der Zeit, in der Tierwater häufiger im Knast saß, als bei Frau und Kind, und selbst zur Legende wurde, nicht nur in positiver Hinsicht.
Und er erzählt aus der Gegenwart des Jahres 2025, vom dramatischen und weitgehend hoffnungslosen Zusteuern der Titanic "Menschheit" auf den Eisberg "Selbstvernichtung aus purer Dummheit".

"Ein Freund der Erde" bewegt sich erzählerisch irgendwo zwischen "Grün ist die Hoffnung" und "América", ist zynisch und amüsant, schnell und hoffnungslos, allerdings eher eine lange Kurzgeschichte, denn ein Roman. Boyles Sozialkritik ist unaufdringlich, weil völlig kompromißlos; der Mann hat einfach recht, und darüber sollte man schon mal ein bißchen nachdenken. Irgendwann.
Allerdings, und das ist die Botschaft, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits jetzt zu spät.

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