Die Frauen. Roman.
T. C. Boyle, Hanser 2009
Langeweile auf hohem Niveau
Mit "Wassermusik", der enorm amüsanten - und fiktiven - Achterbahnfahrt durch das Leben des Afrikaforschers Mungo Park begründete T. C. Boyle seinen Weltruhm als Schriftsteller, und er legte damit das Fundament für Folgeprojekte wie "Willkommen in Wellville" oder "Dr. Sex", deren Protagonisten ebenfalls Figuren der Zeitgeschichte waren, die Boyle auf seine unnachahmliche Art einerseits demontierte und denen er zugleich Liebeserklärungen machte. Genies sind eigenwillig, nicht immer Vorbilder in sämtlichen Lebensbereichen, manchmal sogar ziemlich abgedrehte Knalltüten. Dieser Tenor schwingt in all jenen biographischen Romanen mit. So auch in "Die Frauen", der das Leben des Stararchitekten Frank Lloyd Wright thematisiert, der vor allem in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erfolgreich die "organische Bauweise" propagierte - und der u.a. das Guggenheim-Museum in New York schuf.
Wie in "Dr. Sex", dessen Hauptfigur der Sexualforscher Albert Kinsey war, stellt Boyle in "Die Frauen" Frank Lloyd Wright einen fiktiven Erzähler aus dem unmittelbaren Dunstkreis zu Seite, in diesem Fall einen Architekturschüler aus Japan. Dieser tritt nur im Rahmen der Einleitungen zu den drei Teilen des Romans in den Vordergrund, und ansonsten macht er sich durch Fußnoten bemerkbar - übrigens ein Aspekt, der den Lesefluss manchmal erheblich behindert.
Diese drei Teile sind jenen Frauen gewidmet, die Wrights erster Ehefrau Kitty folgten. In umgekehrter Chronologie schildert der Roman nur nebenher, häufig sogar lediglich angedeutet Wrights Laufbahn und Erfolge; im Vordergrund stehen die Epochen, die die drei Folgefrauen markierten. Allen Beziehungen war gemein, dass sie mit "wilden Ehen" begannen, zu Zeiten, als Wright noch mit der jeweiligen Vorgängerin verheiratet war. Da dies während der ersten drei Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts geschah, waren die moralischen Implikationen erheblich. Wright, der ohnehin auf zu großem Fuß lebte, ständig hoch verschuldet war und außer der eigenen Meinung keine andere gelten ließ, war - glaubt man Boyle - praktisch ständig Anfeindungen ausgesetzt, worunter jene Beziehungen und vor allem die Frauen selbst erheblich litten.
"Die Frauen" ist ein großes, sehr langweiliges Buch. Groß, weil Boyle ein anschauliches Sittengemälde gelingt, ein biographisches Werk, das viel Zeitgefühl und einiges über seine Hauptfigur vermittelt. Langweilig, weil es keine Entwicklung gibt, und weil die Figuren allesamt armselig und fremd- bzw. wrightgesteuert daherkommen, beginnend bei der Schülerschar des Architekten und längst nicht endend bei seinem Harem. Einzig Miriam, die offensive, selbstbewusste, drogensüchtige Mittvierzigerin, die Wright auf furiose Weise gezielt erobert, um dann ebenso großartig an der Beziehung zu scheitern, entwickelt Konturen und nachempfindbare Eigenschaften. Die anderen Frauen in Wrights Schatten verharren dort auch, weshalb sie sich nicht als Hauptfiguren eignen. Bleibt eine sich im Kreis drehende Lebensgeschichte, der auch die ironische Stimme des japanischen Erzählers nicht genug Farbe verleiht, um sie einen mehr als fünfhundert Seiten starken Roman tragen zu lassen. Tatsächlich gibt es amüsante und spannende Passagen, aber am Ende steht die Erkenntnis, dass weder Kunstgriffe bei der Chronologie, noch Selbstplagiate bei der Erzählperspektive darüber hinwegtäuschen können, dass hier nur etwas mäßig Interessantes erzählt wird. Auf hohem Niveau zwar, aber das erweist sich als wenig probates Mittel gegen die fortwährende Leserermüdung.