Exit Ghost. Roman.
Philip Roth, Hanser; Auflage: 1 (Februar 2008)


Nathan Zuckerman kehrt nach mehr als zehn Jahren aus dem selbstgewählten Exil nach New York zurück. Anlass ist ein Arzttermin; seit der krebsbedingten Prostataoperation ist Zuckerman impotent und inkontinent, und während er sich, inzwischen einundsiebzigjährig, mit ersterem abgefunden zu haben glaubt, will er doch die Chance wahrnehmen, nach einer einfachen Behandlung den Urinfluß wieder kontrollieren zu können.
Doch es dauert nur ein paar Stunden, bis sich Zuckerman knietief in der eigenen Vergangenheit befindet. Da begegnet ihm zufällig Amy Belette, die ehemalige Geliebte des hochgeschätzten Mentors I. E. "Manny" Lonoff (den der Leser aus "The Ghost Writer" kennt), und als der alternde Schriftsteller in seinem Stammrestaurant durch die Zeitschriften blättert, entdeckt er eine Kleinanzeige: Ein junges Schriftstellerpaar möchte für ein Jahr in die Berge ziehen und bietet zum Tausch die Stadtwohnung in Manhattan an. Ehe Zuckerman begreift, was er tut, hat er Kontakt aufgenommen, findet sich nur wenig später in der Wohnung der beiden wieder. Dort trifft er die zauberhafte, elegante und selbstbewusste Jamie - und ihren eher verweichlichten Ehemann Billy. Zuckerman verliebt sich auf der Stelle in die attraktive, aber unerreichbare junge Frau, die den berühmten Schriftsteller zwar bewundert, ihm allerdings keine Avancen macht. Ausgerechnet Jamies Ex-Freund und vermeintlicher Noch-Liebhaber drängt Zuckerman tiefer in die Vergangenheit, denn der ambitionierte, aber rücksichtslose Möchtegernbiograph versucht sich an Lonoffs Lebensgeschichte, will den längst vergessenen und von Zuckerman so verehrten Schriftsteller ins Licht der Öffentlichkeit zerren. Wie so häufig in solchen Fällen dient ein vermeintlicher Skandal als Aufhänger. Zuckerman sieht Parallelen zur eigenen Biographie, und er versucht alles, um die Enstehung des Buches zu verhindern. Aber Inkontinenz, Begehren und die nachlassende Gedächtnisleistung sind nicht die einzigen Probleme, mit denen der alternde Schriftsteller zu kämpfen hat.
Philip Roth beschäftigt sich in seinen letzten Romanen - "Jedermann" und "Das sterbende Tier" seien genannt - intensiv mit dem Altern und dem Sterben. Anders als diese beiden - meiner Meinung nach eher schwächeren - Bücher steckt "Exit Ghost" voller Selbstironie, distanzierter Amüsiertheit und, ja, Weisheit. Roth reflektiert die eigene Entwicklung als Schriftsteller, die Rezeption durch Publikum und Feuilleton, aber das Buch ist viel mehr als das. Ein vorweggenommenes Testament, ein Rückblick, eine Anklage, aber auch eine überraschend entspannte Liebesgeschichte mit viel imaginierter Romantik. Manchmal liest sich der Roman wie ein Tagebuch, dann wie experimentelle Literatur, aber insgesamt ist das - endlich - wieder ein echter Roth, ein fantastisches Buch mit starkem Nachhall und großer Persönlichkeit.

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