Evangeline. Roman.
D. W. Buffa, Fischer 2007


Es sollte die Reise ihres Lebens werden - siebenundzwanzig schöne, reiche, prominente Menschen auf der niegelnagelneuen Superyacht des Bohemiens Whitfield, aber aus der Afrikaumseglung mit Champagner und Kaviar wurde ein Albtraum. Nur sechs überlebten den Untergang des hochmodernen Schiffes in einem gewaltigen Orkan, und auch diese sechs schafften es nur, weil sie während ihrer vierzigtägigen Irrfahrt im Rettungsboot auslosten, wer sterben müsste, um die anderen zu ernähren. Die Hinrichtungen nahm Vincent Marlowe vor, der Kapitän der "Evangeline", und nun steht er vor Gericht, angeklagt wegen mehrfachen Mordes.

Der Roman erzählt von der einzigartigen Verhandlung, in der es darum geht, ob ein Notstand vorlag, der das Vorgehen entschuldigen würde, ob es eine moralische und juristische Rechtfertigung geben kann für den Mord und den Kannibalismus, dem immerhin alle zustimmten, auch diejenigen, die schließlich sterben mussten. Aus Sicht des Angeklagten aber ist derlei unerheblich, denn seine Strafe besteht darin, getan zu haben, was er tun zu müssen glaubte. Er verfolgt das Verfahren mit Widerwillen und einem auf sich selbst gerichteten Desinteresse.

Buffa hat einen klassischen Gerichtsroman vorgelegt, der mit den üblichen Versatzstücken und leider auch bekannten Stereotypen arbeitet. Alle Figuren sind mit bemerkenswerten, ausschließlichen Eigenschaften belegt - es gibt den stoischen Moralisten, den Selbstausbeutung betreibenden, engagierten Überanwalt, das Weichei, den miesen Ignoranten, die zarte, intelligente Frau, den gierigen Finanzhai, den Self-Made-Mann undsoweiter. Was das Buch rettet und aus dem Grisham-Einerlei hervorhebt, das sind die zugrunde liegende Fragestellung und die Dramatik des Geschehens auf der Yacht. Leider aber nur teilweise. Das Strickmuster der Geschichte ist wenig originell, allzu leichtfertig wird nach Superlativen gegriffen, die Abläufe sind entweder vorhersehbar oder mit Deus-Ex-Machina-Erklärungen ausgestattet. Bleibt die spannende Frage, ob vertret- und verkraftbar ist, wozu sich die Schiffbrüchigen entschieden haben, aber auch diese Frage wird schließlich als nicht beantwortbar zurückgewiesen.

Fazit: Originelles Setting, das bewirkt, dass man sich beim Lesen auch die eine oder andere Frage stellt, die man sich lieber nicht beantworten möchte, aber literarisch eher Durchschnittskost. Die nicht unerhebliche theistische Komponente des ganzen - der Name des Schiffes ist Programm - hat zumindest bei mir zusätzlichen Widerwillen ausgelöst, aber das ist ein Randproblem.

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