Das Erlkönig-Manöver. Roman.
Robert Löhr, Piper 2009
Beginn des neunzehnten Jahrhunderts: Eine illustre Gruppe bestehend aus Goethe, Schiller, Heinrich von Kleist, Alexander von Humboldt, Achim von Arnim und Bettine Brentano macht sich von Weimar auf den Weg nach Mainz, um einen jungen Mann, von dem die Protagonisten glauben, es wäre der Sohn des gestürzten Franzosenkönigs Louis XVI, aus den Fängen der Schergen Napoleons zu befreien. Was nur Goethe und Schiller wissen: Der Auftrag besteht darin, jenen Louis XVII zum neuen Herrscher zu formen. Die anderen wähnen sich als Rebellen gegen die französische Unterdrückung.
Der Coup gelingt zunächst, aber damit beginnt das Abenteuer erst richtig, denn die Verfolger sitzen dem hochkarätigen Befreierteam im Nacken. Als sich die Helden für Wochen im Kyffhäuser-Gebirge verstecken, nimmt so manch eine originelle Verstrickung ihren Lauf.
Ich bin eigentlich kein Freund von historischen Romanen, vor allem nicht von solchen, die irgendeinen Jetztzeit-Konflikt vor einem Hintergrund ansiedeln, den die Autoren ihren Lesern als vermeintlich "historisch" zu verkaufen versuchen, ohne dass dieser Anspruch die leiseste Berechtigung hätte. Robert Löhrs zweiter Roman ist augenscheinlich das genaue Gegenteil davon.
Natürlich hat diese Abenteuerreise nie stattgefunden. Es gab auch keine homoerotische Beziehung zwischen von Kleist und von Humboldt, und nie ein Techtelmechtel zwischen Goethe und Bettine Brentano. Die Handlung ist von vorne bis hinten fiktiv, aber zumindest denkbar und in ihrer erzählerischen Intensität fast schon authentisch. Zudem hat Löhr viele Versatzstücke aus den Werken der Beteiligten eingearbeitet, von denen nicht wenige zu Bonmots ("Heinrich, mir graust vor dir!") geworden sind.
Ein sehr vergnügliches, spannendes und cleveres Buch, irgendwo zwischen Schelmenstück, Zeitdokument und historischem Roman im besten Sinn des Wortes. Zugleiche eine kunstvolle Verknüpfung der Vitae herausragender Personen jener Zeit, sprachlich hochwertig, politisch gewissermaßen brisant und mehr als unterhaltsam. Lebten die Herrschaften noch, würden sie Löhr sehr wahrscheinlich die liebevolle Verballhornung gnädigst verzeihen. Mehr noch - sie würden frohlocken.