Die Entdeckung des Himmels. Roman.
Harry Mulisch, Rowohlt 1995



Es fällt schwer, über dieses gewaltige, eigenartige Buch etwas zu sagen, ohne zu viel zu verraten oder vorwegzunehmen. Der "Jahrhundertroman", das erfolgreichste Buch Mulischs, sein Opus Magnum, wurde u.a. in das "Buch der 1000 Bücher" aufgenommen.

Holland, die Sechziger. Der schöngeistige, etwas weltfremde Onno Quist, Linguist und Chaot, Sohn eines politisch erfolgreichen Patriarchaten, freundet sich mit Max Delius an, einem faktenorientierten, weltnahen, ordnungsverliebten Astronomen. Die Begegnung ist nicht zufällig, denn sie folgt und gehorcht einem Plan, der andernorts - und nicht etwa auf der Erde - beschlossen wurde. Die Freundschaft der beiden hat eine Nähe und Dichte, wie sie die wenigsten von uns kennen dürften: Die Verschiedenheit der beiden offenbart eine Seelenverwandtschaft im ursprünglichsten Sinne des Wortes, ergänzt sich zur Perfektion. Sie verlieren sich in langen Diskussionen, verstehen sich aber auch ohne Worte. Dann lernt Max Ada kennen, die etwas passive, nachdenkliche, wunderschöne Cellistin, aber er verliert sie wieder, als sie seine Prioritäten erkennt. Ada heiratet Onno. In einer schicksalshaften Nacht auf Kuba wird Quinten gezeugt, und die Umstände sind so, daß er sowohl Onnos, als auch Max' Sohn sein könnte, in der Konsequenz sogar *ist* - beide sind zugegen, beide schlafen mit Ada, auf der tropischen Insel, die Ada besucht, um ein Konzert zu geben, begleitet von den Freunden, die in eine Konferenz geraten, bei der es um gewaltsamen Kampf gegen Regimes geht - ein Zufallsbesuch, der Jahre später Einfluß auf Onnos politische Karriere haben wird.

Quinten, der zunächst sehr schweigsame, später immer seltsamer werdende, unirdisch schöne Sohn zweier Väter ist der eigentliche Protagonist dieses schweren, gleichzeitig leichtfüßigen Buches, das wort- und faktenreich politische Geschichte, Sozialgeschichte, Religionshistorie, Architektur, Musik- und Mathematiktheorie benutzt, um recht mittelbar Gesellschaftskritik zu üben - fundamentalistische Gesellschaftskritik, denn Mulischs Urteil ist vernichtend. Der Roman strebt einem Ende zu, das gleichzeitig in höchstem Maße konsequent *und* verwirrend ist. Letztlich formuliert Mulisch göttliche Gedanken, in Anerkenntnis der Tatsache, daß die Welt solcherlei zu erkennen in abnehmendem Maße in der Lage ist, irgendwann überhaupt nicht mehr sein wird. Schade drum, zugegeben, aber es gibt ja immer noch dieses vortreffliche Buch.


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