Endymion. 2 Romane ("Pforten der Zeit", "Die Auferstehung")
Dan Simmons, Blanvalet 2003

Ein Buch über die Liebe

"Endymion" setzt die Science-Fiction-Saga "Die Hyperion-Gesänge" ("Hyperion", "Der Fall von Hyperion") fort, inhaltlich zwar nahtlos, dramaturgisch und erzählerisch jedoch nicht.

Ein gewisser Raul Endymion lebt eingesperrt in einer eiförmigen Kapsel, die einen unwirtlichen Planeten umkreist, die bei einer Annäherung explodiert und zu einem
willkürlichen Zeitpunkt ein Gas freisetzen wird, um den Gefangenen zu töten - Schrödingers Katzenkiste als Hinrichtungswerkzeug, sozusagen. In der Zeit bis zu seinem unvermeidlich scheinenden Tod erzählt Endymion seine Geschichte, insbesondere aber diejenige seines Schützlings und späteren Geliebte Aenea, Diejenige Die Lehrt.

Nach dem Fall - nicht nur Hyperions, sondern der gesamten Hegemonie - hat sich die katholische Kirche jenes wundersamen Organismus' namens "Kruziform" bemächtigt, eines Parasiten, der seinen Wirt niemals freigibt, ihm aber dafür immerwährende Wiederauferstehung verleiht, vorausgesetzt, der Träger ist noch Mitglied der Kirche, die als einzige jenen geheimnisvollen Prozeß kennt, der den Wiederauferstandenen nicht zum genetischen Krüppel macht. Rasch nahm die Zahl der sogenannten Wiederauferstehungschristen zu; die Kirche und ihr wirtschaftlicher, militärischer und logistischer Arm "Pax" dominierten die ehemalige Netzwelt, bis auf wenige Kolonien der Juden, Muslime, Palästinenster und einiger anderer religiöser Gruppen. Sie benutzte das Wiederauferstehungsverfahren, um eine zynische Form des intergalaktischen Reisens zu betreiben, eine, die alle Reisenden tötet und in einem schmerzvollen, mehrtägigen Prozeß in sogenannten Wiederauferstehungskrippen neu, aber quasi "auf dem Stand vor dem Tod" entstehen läßt. Geburtenkontrolle und das mächtige Druckmittel der Exkommunizierung bestimmen das Tagesgeschäft der Kirche und ihres über zweihundert Jahre nach jedem natürlichen Tod neu gewählten Pontifex.

Hinter dem Wunder der Kruziform stecken aber andere Wesensheiten, als etwa Gott. Daß ewiges, stagnatives Leben nicht die Krone der Schöpfung sein kann, ist zunächst wenigen bewußt - bis Aenea auf den Plan tritt, das Kind von Core-Cybrid John Keats, Nachahmung des Dichters der alten Erde, und Brawne Lamia, einer der Pilgerinnen aus den ersten beiden Büchern. Aenea trägt einen Virus in sich, der die Macht des Vatikans brechen kann - vorausgesetzt, sie und ihr Beschützer Raul Endymion finden am Ende einer wahnwitzigen Odyssee einen Weg, dieses Ziel zu erreichen. In ihrem Gefolge finden sich viele alte Bekannte aus den ersten Büchern, und natürlich auch das Shrike, die gruselige und scheinbar unbezwingbare, durch die Zeiten eilende Chromgestalt.

Es macht keinen Sinn, detaillierter auf den Inhalt und seine unglaublichen Facetten, wunderbar verwobenen Geschichten, liebevoll gezeichneten Figuren, kenntnisreichen Hintergründe einzugehen. Dan Simmons hat mit der Hyperion-Saga ein Werk geschaffen, das ein ganzes Genre in den Schatten stellt - und offensichtlich Kopiervorlage für viele war, finden sich ganze Themenbereiche zum Beispiel in Tad Williams "Otherland"-Saga wieder. Aber es ist weit mehr als das. Es ist ein Appell an die Liebe, an das Verständnis, an die Achtsamkeit - ein technisch-historisch-ökologischer SF-Liebesthriller, wunderbar verfaßt, ideenreich ohne Vergleich und mit einem so herzzerreißenden Ende, daß ich noch beim Gedanken daran gerührt bin. Toll. Unglaublich.


Endymion, Pforten der Zeit

von Dan Simmons, Joachim Körber (Übersetzer)

Broschiert - 668 Seiten - Blanvalet
Erscheinungsdatum: Februar 2001
ISBN: 3442353920
EUR 9,95

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Endymion. Die Auferstehung.

von Dan Simmons

Taschenbuch - 862 Seiten - Goldmann
Erscheinungsdatum: 1999
Auflage: 1. Aufl.
ISBN: 3442433525

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Außerdem erhältlich:
Endymion

von Dan Simmons, Joachim Körber (Übersetzer)

Broschiert - 1536 Seiten - Blanvalet
Erscheinungsdatum: Oktober 2003
ISBN: 3442242517
EUR 15,00

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