Gegen Ende der Zeit. Roman.
John Updike, Rowohlt 2000



Ach, John ..

Altwerden ist nicht einfach, aber für diese tautologische Feststellung bedarf es keiner 398 zugeschwafelten Seiten. Erzählkunst, Witz, Esprit, Intelligenz, Sarkasmus, akribische Betrachtung - all das wendest Du auf, um ein Thema zu vermitteln, mit dem sich Dein 66-jähriger Protagonist - hier über ein beispielhaftes Jahr hinweg - auseinandersetzen muß, wie jeder, dessen Jahre, Tage gezählt sind.

Ben Turnbull lebt in einer Villa in New England, direkt am Meer, verbringt seine Tage mit Naturbetrachtungen, Verhandlungen mit den Grundstücks"beschützern", gelegentlichen Trips nach Boston, Besuchen bei der sich immer noch vergrößernden Enkelschar, Teetrinken, Pissen und Ficken. Ja, tatsächlich. Wenn die unerheblich jüngere Ehefrau Gloria außerhäusig ist, beschläft der alte Zausel eine knackige Hure, zumindest vor der Prostataoperation, oder fingert an einer Dreizehnjährigen herum, Mitglied einer Jugendgang, die eine selbstgebaute Holzhütte auf dem turnbull'schen Grundstück bewohnt. Das ist es auch schon.
Ach ja, "Gegen Ende der Zeit" spielt - doppeldeutig betitelt - in der Zukunft, im Jahr 2020, 10 Jahre nachdem ein amerikanisch-chinesischer Konflikt die halbe Menschheit dahingerafft hat; die Gesellschaft befindet sich in einer Art Schwebezustand zwischen Anarchie und Rekonvaleszenz, während FedEx mehr oder minder die Regierungsgeschäfte übernimmt und unter anderem dafür sorgt, daß die jugendlichen "Bewacher" schließlich vom Anwesen des Protagonisten "verschwinden".

Ich LIEBE Updike; die "Rabbit-Romane" zählen meines Erachtens erzählerisch zum Besten, was das späte 20ste vorzuweisen hat, "Erinnerungen an die Zeit unter Ford" ist schlicht brillant, die "Bech"-Anthologien sind prickelnd und irre amüsant, und selbst die "schwächeren" Updikes ("Der Coup", "Das Gottesprogramm", "Gott und die Wilmots", "Brasilien") verfügen über ungeheuren Witz und Nähe, zeugen von großer erzählerischer Kompetenz, fantastischer Recherche und sind Dokumente einer fortwährend-emanzipatorischen Auseinandersetzung mit Updikes Hauptthema, dem Glauben. Kaum ein anderer Erzähler zeichnet Figuren so sauber und stimmig, hält auf diese Art die Waage zwischen Diskurs, Belehrung und satirischer Betrachtung, transportiert hauptsächlich durch Charakterisierung. Aber nicht hier; "Gegen Ende der Zeit" stellt die Liebe auf eine harte Probe, denn der Protagonist Ben Turnbull müht sich in seiner Passivität durch dieses geschmacksarm gestreckte Testament, dem es an Emotionalität fehlt, Schärfe und Originalität. Auch die fast schon unwirkliche Überzeichnung der Sexualität kommt weder witzig, noch provozierend daher; Turnbull ist ein schlaffer Opa, dem es an Kommunikationsmöglichkeiten fehlt, und dessen Weltbetrachtung zwar reich an Informationen ist, aber arm an erzählerischer Dichte.


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