Empörung. Roman.
Philip Roth, Hanser 2009


empoerung

Gefährlicher Nonkonformismus

Marcus Messner ist neunzehn, Jude aus Newark (wie fast alle Protagonisten Roth') und Sohn eines Metzgers. Wir schreiben das Jahr 1951, der Koreakrieg tobt, und wer in Messners Alter ist und nicht gerade das Glück hat, ein College zu besuchen, muss täglich damit rechnen, eingezogen und auf den asiatischen Schlachtfeldern gemetzelt zu werden.

Doch der Vater, mit dem Marcus ansonsten ein gutes Verhältnis pflegt, macht dem Filius das Leben schwer: Durch seine im Alter stetig wachsende Ängstlichkeit drängt er den Sohn unfreiwillig dazu, das eigentlich bevorzugte örtliche College zu verlassen und der überzogenen väterlichen Fürsorge ins Hinterland nach Winesburg zu entfliehen, an eine dieser nur scheinbar liberalen Schulen, zwischen Traditionalismus und dem Reformdrang der Nachweltkriegszeit pendelnd. In Winesburg ist es obligat, die wöchentlichen Gottesdienste aufzusuchen, ansonsten wird man nicht zur Prüfung zugelassen. Messner ist Atheist, in der Hauptsache aber ist er daran interessiert, sein Studium schnellst- und bestmöglich hinter sich zu bringen, weshalb er das Ungemach der gemeinsamen Beterei zunächst hinnimmt. Das Unverständnis der Kommilitonen für seine hohe Disziplin beschert ihm drei Zimmerwechsel innerhalb kürzester Zeit, was den Dekan der Universität auf den Plan ruft. Rasch gilt der exzellente, eigenbrötlerische Schüler als aufmüpfig, wenigstens unangepasst, und als ein Mädchen, mit dem Marcus einige Male ausgegangen ist, einen Selbstmordversuch verübt, spitzen sich die Ereignisse zu.

Der Konflikt des intelligenten, etwas - aber nicht über die Maßen - selbstgerechten Messner besteht darin, einfach nicht in Ruhe gelassen zu werden, aber auch keine faulen Kompromisse eingehen zu wollen. Seine Position ist nachvollziehbar, die Anschuldigungen sind haltlos, aber der junge Student sieht sich wachsendem Druck ausgesetzt - wie zu Hause. Als er sich schließlich, von falschen Freunden beraten, dazu durchringt, wie alle anderen ein wenig zu mogeln - vor allem, um nicht mehr angefeindet zu werden -,hat das fatale Folgen.

Diese vergleichsweise kurze Erzählung des Altmeisters bezieht ihre Spannung aus der ruhigen, fast ausgeglichenen Erzählweise, deren Kraft sich erst nach und nach entfaltet. Das Buch wirkt manchmal ein wenig glatt, verfügt aber über eine hohe Dichte und fraglos auch Brillanz, wenn die altklugen Diskussionen zwischen Messner und seinem Dekan auch etwas aufgesetzt und akademisch daherkommen, vor allem, wenn der junge Student absätzelang aus dem Gedächtnis Russell zitiert. Ungeachtet dessen begegnet man in "Empörung" einem Philip Roth aus der Zeit irgendwo zwischen "Portnoys Beschwerden" und "Anatomiestunde", voller Energie, Witz, Frische und literarischer Wut. Seine Anklage der nivellierenden Gottgefälligkeit und Konformität amerikanischer Institutionen ist dabei zeitlos geraten.

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